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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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teilung befand. Da<strong>von</strong> wußte ich nichts, weil sie den Namen ihres zweiten<br />

Mannes trug, während der Sohn aus erster Ehe stammte. Er war ihr einziges<br />

Kind. N<strong>at</strong>ürlich h<strong>at</strong>te sie auf einen begabten und erfolgreichen Sohn gehofft<br />

und war schwer enttäuscht, als er schon in jungen Jahren psychisch erkrankte.<br />

Damals war ich noch ein junger Arzt und repräsentierte all das, was sie sich<br />

zum Sohne gewünscht hätte. Daher schlugen sich ihre ehrgeizigen Wünsche,<br />

die sie als Heldenmutter hegte, auf mich nieder. Sie adoptierte mich<br />

sozusagen als Sohn und verkündete ihre wundersame Heilung urbi et orbi.<br />

T<strong>at</strong>sächlich verdankte ich ihr meinen lokalen Ruhm als Zauberer, und da<br />

sich die Geschichte bald herumgesprochen h<strong>at</strong>te, auch meine ersten<br />

Priv<strong>at</strong>p<strong>at</strong>ienten. Meine psychotherapeutische Praxis begann damit, daß eine<br />

Mutter mich an die Stelle ihres geisteskranken Sohnes gesetzt h<strong>at</strong>te! N<strong>at</strong>ürlich<br />

erklärte ich ihr die Zusammenhänge, und sie nahm alles mit großem<br />

Verständnis auf. Später h<strong>at</strong>te sie nie mehr einen Rückfall.<br />

Das war meine erste wirklich therapeutische Erfahrung, ich könnte sagen:<br />

meine erste Analyse. Ich erinnere mich deutlich der Unterhaltung mit der<br />

alten Dame. Sie war intelligent und außerordentlich dankbar, daß ich sie ernst<br />

genommen und Anteil an ihrem Schicksal und dem ihres Sohnes gezeigt<br />

h<strong>at</strong>te. Das h<strong>at</strong>te ihr geholfen.<br />

Im Anfang wandte ich auch in meiner Priv<strong>at</strong>praxis die Hypnose an, aber<br />

sehr bald gab ich sie auf, weil man damit im Dunkeln tappt. Man weiß nie,<br />

wie lange ein Fortschritt oder eine Genesung anhält, und ich h<strong>at</strong>te immer<br />

Widerstände dagegen, im Ungewissen zu wirken. Ebensowenig liebte ich es,<br />

<strong>von</strong> mir aus zu entscheiden, was der P<strong>at</strong>ient tun sollte. Mir lag viel mehr<br />

daran, vom P<strong>at</strong>ienten selber zu erfahren, wohin er sich n<strong>at</strong>ürlicherweis e<br />

entwickeln würde. Dazu brauchte es die sorgfältige Analyse der <strong>Träume</strong> und<br />

anderer Manifest<strong>at</strong>ionen des Unbewußten.<br />

In den Jahren 1904/05 richtete ich ein Labor<strong>at</strong>orium für experimentelle<br />

Psychop<strong>at</strong>hologie an der Psychi<strong>at</strong>rischen Klinik ein. Dort h<strong>at</strong>te ich eine<br />

Anzahl Schüler, mit denen ich psychische Reaktionen (i. e. Assozi<strong>at</strong>ionen)<br />

untersuchte. Franz Riklin sen. war mein Mitarbeiter. Ludwig Binswanger<br />

schrieb damals seine Doktor-Dis sert<strong>at</strong>ion über das Assozi<strong>at</strong>ionsexperiment in<br />

Verbindung mit dem psychogalvanischen Effekt, und ich verfaßte meine<br />

Arbeit «Zur<br />

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