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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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men der mir auferlegten speziellen Aufgabe, ein rechter Seelenarzt zu sein. So<br />

habe ich mich vorgefunden, und so funktioniere ich als ein Glied der<br />

menschlichen Gesellschaft. Ich leugne keineswegs, daß andere Leute mehr<br />

wissen als ich. Ich weiß z. B. nicht, wie Gott, losgelöst <strong>von</strong> der menschlichen<br />

Erfahrung, je erfahren werden könnte. Wenn ich Ihn nicht erfahre, wie kann<br />

ich dann sagen, daß Er sei ? Meine Erfahrung ist aber sehr eng und klein, und<br />

so ist auch das Erfahrene trotz der bedrückenden Ahnung der Unermeßlichkeit<br />

klein und menschenähnlich, was man am besten sieht, wenn man es<br />

auszudrücken versucht. In der Erfahrung gerät alles in die Doppelsinnigkeit<br />

der Psyche. Die größte Erfahrung ist auch die kleinste und engste, und<br />

deshalb scheut man sich, allzulaut da<strong>von</strong> zu reden oder gar darüber zu<br />

philosophieren. Dazu ist man denn doch zu klein und zu untauglich, als daß<br />

man sich solche Vermessenheit leisten könnte. Deshalb ziehe ich die<br />

zweideutige Sprache vor, denn sie wird in gleichem Maße der Subjektiv ität<br />

der archetypischen Vorstellungen wie der Autonomie des Archetypus gerecht.<br />

«Gott» z. B. bedeutet einerseits ein nicht auszudrückendes ens potentissimum,<br />

andererseits eine höchst untaugliche Andeutung und einen Ausdruck<br />

menschlicher Impotenz und R<strong>at</strong>losigkeit, also ein Erlebnis paradoxester<br />

N<strong>at</strong>ur. Der Raum der Seele ist unermeßlich groß und erfüllt <strong>von</strong> lebendiger<br />

Wirklichkeit. Am Rande desselben steht das Geheimnis des Stoffes und das<br />

des Geistes, bzw. des Sinnes. Für mich ist dies der Rahmen, in welchem ich<br />

meine Erfahrung ausdrücken kann ...<br />

Aus einem Brief an einen Kollegen * (1959)<br />

... der Begriff der Ordnung (seil. in der Schöpfung) ist nicht identisch mit<br />

dem des «Sinnes». Auch ein organisches Wesen ist trotz seiner in sich selbst<br />

sinnvollen Anordnung nicht notwendigerweise sinnvoll im<br />

Gesamtzusammenhang... Ohne das reflektierende Bewußtsein des Menschen<br />

ist die Welt <strong>von</strong> gigantischer Sinnlosigkeit, denn der Mensch ist nach unserer<br />

Erfahrung das einzige Wesen, das «Sinn» überhaupt feststellen kann.<br />

376<br />

• Nur in der deutschen Ausgabe.

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