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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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lieb er mir unvergeßlich im Gedächtnis haften und hinterließ den<br />

lebhaftesten Wunsch, bei nächster Gelegenheit wieder nach Afrika zu fahren.<br />

Dieser Wunsch ging mir erst fünf Jahre später in Erfüllung.<br />

Die Pueblo-lndianer<br />

Wir bedürfen immer eines außerhalb der Sache liegenden Stand-Punktes,<br />

um den Hebel der Kritik wirksam anzusetzen. J^es^ilt ganz besonders für<br />

psychologische Dinge, in denen wir n<strong>at</strong>urgemäß viel mehr subjektiv<br />

befangen sind als in irgendeiner anderen Wissenschaft. Wie können wir uns<br />

z. B. n<strong>at</strong>ionaler Eigentümlichkeiten bewußt werden, wenn wir nie<br />

Gelegenheit h<strong>at</strong>ten, unsere N<strong>at</strong>ion einmal <strong>von</strong> außen anzusehen? Von außen<br />

ansehen, heißt vom Standpunkt einer anderen N<strong>at</strong>ion aus sehen. Dazu muß<br />

man sich eine genügende Kenntnis der fremden Kollektivseele erwerben, und<br />

in diesem Assimil<strong>at</strong>ionsprozeß stößt man dann auf alle jene<br />

Unverträglichkeiten, welche das n<strong>at</strong>ionale Vorurteil und die n<strong>at</strong>ionale<br />

Eigenart ausmachen. Alles, was mich am Anderen irritiert, kann mir so zur<br />

Erkenntnis meiner selbst werden. England verstehe ich erst, wenn ich sehe,<br />

wo ich als Schweizer nicht hineinpasse. Europa, unser größtes Problem,<br />

verstehe ich erst, wenn ich sehe, wo ich als Europäer nicht in die Welt<br />

hineinpasse. Ich habe meiner Bekanntschaft mit vielen Amerikanern und<br />

meinen Reisen nach und in Amerika unendlich viel an Einsicht in und an<br />

Kritik über das europäische Wesen zu verdanken, und es schien mir, als ob es<br />

nichts Nützlicheres für den Europäer gäbe, als sich Europa einmal vom Dach<br />

eines Wolkenkr<strong>at</strong>zers aus anzusehen. Zum ersten Mal h<strong>at</strong>te ich das<br />

europäische Schauspiel <strong>von</strong> der Sahara aus betrachtet, umgeben <strong>von</strong> einer<br />

Zivilis<strong>at</strong>ion, die sich zu der unsrigen etwa so verhält wie das römische<br />

Altertum zur Neuzeit. Da wurde es mir bewußt, wie sehr ich auch in Amerika<br />

noch im Kulturbewußtsein des weißen Mannes be- und gefangen war.<br />

Damals reifte in mir der Wunsch, die historischen Vergleiche noch weiter zu<br />

führen dadurch, daß ich auf ein noch tieferes Kulturniveau hinunterstieg.<br />

Meine nächste Reise führte mich in Gesellschaft einiger amerikanischer<br />

Freunde zu den Indianern Neu-Mexikos, und zwar zu den städtebauenden<br />

Pueblos. «Städte» ist allerdings zu viel gesagt. Es sind ja in Wirklichkeit nur<br />

Dörfer, aber ihre gedrängten und übereinander gebauten Häuser suggerieren<br />

das Wort «Stadt», eben-<br />

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