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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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Das einzig Deutliche an diesem Geist war sein historischer Charakter, seine<br />

Ausgedehntheit in der Zeit resp. seine Zeitlosigkeit. Dies sagte ich mir<br />

allerdings nicht mit so vielen Worten, wie ich mir auch keine Vorstellung<br />

machte über seine räumliche Exi stenz. Er spielte die Rolle eines nicht näher<br />

definierten, jedoch definitiv vorhandenen Faktors im Hintergrund meiner<br />

Existenz.<br />

Der Mensch kommt physisch und geistig mit einer individuellen<br />

Disposition zur Welt und wird zunächst mit dem elterlichen Milieu und<br />

dessen Geist bekannt, mit welchem er infolge seiner Individualität nur bedingt<br />

übereinstimmt. Der familiäre Geist aber ist seinerseits wieder in hohem Maße<br />

vom Zeitgeist geprägt, der an sich den meisten unbewußt ist. Wenn dieser<br />

familiäre Geist einen con-sensus omnium darstellt, so bedeutet er eine<br />

Weltsicherheit; steht er aber im Gegens<strong>at</strong>z zu den vielen und ist in sich selber<br />

durchkreuzt, so entsteht das Gefühl <strong>von</strong> Weltunsicherheit. Kinder reagieren<br />

viel weniger auf das, was die Erwachsenen sagen, als auf die Imponderabilien<br />

der umgebenden Atmosphäre. An diese paßt sich das Kind unbewußt an, d. h.<br />

es entstehen in ihm Korrel<strong>at</strong>ionen kompens<strong>at</strong>orischer N<strong>at</strong>ur. Die<br />

eigentümlichen «religiösen» Vorstellungen, die mich in frühester Kindheit<br />

schon befielen, sind spontan entstandene Gebilde, die als Reaktionen auf<br />

meine elterliche Umgebung zu verstehen sind. Die Glaubenszweifel, denen<br />

mein V<strong>at</strong>er später manifest unterliegen sollte, h<strong>at</strong>ten in ihm n<strong>at</strong>ürlich eine<br />

lange Vorbereitungszeit. Eine derartige Revolution der eigenen Welt, und der<br />

Welt überhaupt, warf ihre Sch<strong>at</strong>ten auf lange Zeit voraus und zwar umso<br />

länger, als das Bewußtsein sich verzweifelt gegen ihre Macht wehrte. Es ist<br />

begreiflich, daß vorausnehmende Ahnungen meinen V<strong>at</strong>er in Unruhe<br />

versetzten, die selbstverständlich auch auf mich übergingen.<br />

Ich h<strong>at</strong>te nie den Eindruck, daß solche Einflüsse etwa <strong>von</strong> meiner Mutter<br />

ausgingen, denn sie war irgendwie in einem unsichtbaren, tiefen Grunde<br />

verankert, der mir aber nie als eine christliche Glaubenszuversicht erschien.<br />

Er h<strong>at</strong>te meinem Gefühl nach irgendwie mit Tieren, Bäumen, Bergen, Wiesen<br />

und Wasserläufen zu tun, womit ihre christliche Oberfläche mit ihren<br />

konventionellen Glaubensäußerungen merkwürdig kontrastierte. Dieser<br />

Hintergrund entsprach meiner eigenen Einstellung so sehr, daß keine<br />

Beunruhigung <strong>von</strong> ihm ausging; im Gegenteil g ab diese Wahrnehmung mir<br />

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