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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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sondern vielmehr dadurch, daß man ihnen die Dinge, die einem_ wichtig<br />

erscheinen, nicht mitteilen kann, oder daß man <strong>Gedanken</strong> für gültig ansieht,<br />

die den anderen als unwahrscheinlich gelten. Die Einsamkeit begann mit dem<br />

Erlebnis meiner frühen <strong>Träume</strong> und erreichte den Höhepunkt in der Zeit, als<br />

ich am Unbewußten arbeitete. Wenn ein Mensch mehr weiß als andere, wird<br />

er einsam. Einsamkeit steht aber nicht notwendigerweise im Gegens<strong>at</strong>z zu<br />

Gemeinschaft, indem nämlich niemand Gemeinschaft mehr empfindet als der<br />

Einsame, und Gemeinschaft blüht nur dort, wo jeder Einzelne sich seiner<br />

Eigenart erinnert und sich nicht mit den anderen identifiziert.<br />

Es ist wichtig, daß wir ein Geheimnis haben und die Ahnung <strong>von</strong> etwas<br />

nicht Wißbarem. Es erfüllt das Leben mit etwas Unpersönlichem, einem<br />

Numinosum. Wer das nie erfahren h<strong>at</strong>, h<strong>at</strong> Wichtiges verpaßt. Der Mensch<br />

muß spüren, daß er in einer Welt lebt, die in einer gewissen Hinsicht<br />

geheimnisvoll ist, daß in ihr Dinge geschehen und erfahren werden können,<br />

die unerklärbar bleiben, und nicht nur solche, die sich innerhalb der<br />

Erwartung ereignen. Das Unerwartete und das Unerhörte gehören in diese<br />

Welt. Nur dann ist das Leben ganz. Für mich war die Welt <strong>von</strong> Anfang an<br />

unendlich groß und unfaßlich.<br />

Ich h<strong>at</strong>te alle Mühe, mich neben meinen <strong>Gedanken</strong> zu behaupten. Es war<br />

ein Dämon in mir, und der war in letzter Linie ausschlaggebend. Er<br />

überflügelte mich, und wenn ich rücksichtslos war, so darum, weil ich vom<br />

Dämon gedrängt wurde. Ich konnte mich nie aufhalten beim einmal<br />

Erreichten. Ich mußte weitereilen, um meine Vision einzuholen. Da meine<br />

Zeitgenossen begreiflicherweise meine Vision nicht wahrnehmen konnten, so<br />

sahen sie nur einen sinnlos Da<strong>von</strong>laufenden.<br />

Ich habe viele Leute vor den Kopf gestoßen; denn sobald ich merkte, daß<br />

sie mich nicht verstanden, war der Fall für mich erledigt. Ich mußte weiter.<br />

Ich h<strong>at</strong>te - außer bei meinen P<strong>at</strong>ienten -keine Geduld mit den Menschen.<br />

Immer mußte ich dem inneren Gesetz folgen, das mir auferlegt war und mir<br />

keine Freiheit der Wahl ließ. Allerdings folgte ich ihm nicht immer. Wie kann<br />

man ohne Inkonsequenz auskommen?<br />

Für manche Menschen war ich unmittelbar vorhanden, insofern sie in<br />

einem Kontakt zur inneren Welt standen; aber dann konnte es sein, daß ich<br />

plötzlich nicht mehr vorhanden war, weil nichts mehr da war, was mich an sie<br />

band. Ich h<strong>at</strong>te es mühsam zu lernen,<br />

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