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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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Seinem Wohlgefallen» geschaffen, daß Er «sie als n<strong>at</strong>ürliche mit Seiner Güte<br />

erfüllt» habe und «als sittliche mit Seiner Liebe erfüllen will».<br />

Zunächst grübelte ich über das befremdliche Wort «Wohlgefallen» nach.<br />

Wohlgefallen mit was oder mit wem ? Offenbar mit der Welt, denn Er lobte<br />

Sein Tagewerk als gut. Gerade das h<strong>at</strong>te ich aber nie begriffen. Gewiß ist die<br />

Welt über alle Maßen schön, aber auch ebenso grauenhaft. Auf dem Lande in<br />

einem kleinen Dorf, wo es wenig Menschen und wenig Ereignisse gibt, erlebt<br />

man «Alter, Krankheit und Tod» intensiver, ausführlicher und unverhüllter als<br />

anderswo. Obwohl ich noch nicht sechzehn Jahre alt war, h<strong>at</strong>te ich vieles <strong>von</strong><br />

der Wirklichkeit des Lebens bei Mensch und Tier gesehen und h<strong>at</strong>te in Kirche<br />

und Unterricht genug gehört vom Leiden und <strong>von</strong> der Verdorbenheit der<br />

Welt. Gott konnte höchstens am Paradies Wohlgefallen empfunden haben,<br />

aber auch da h<strong>at</strong>te Er ja selber dafür gesorgt, daß diese Herrlichkeit nicht zu<br />

lange dauern konnte, indem Er die gefährliche Giftschlange, den Teufel<br />

selber, hineingesetzt h<strong>at</strong>te. H<strong>at</strong>te Er auch daran ein Wohlgefallen? Ich war<br />

zwar sicher, daß Biedermann das nicht meinte, sondern daß er aus jener<br />

allgemeinen <strong>Gedanken</strong>losigkeit des Religionsunterrichtes, die mir mehr und<br />

mehr auffiel, einfach erbaulich daherplapperte und gar nicht merkte, was für<br />

Unsinn er sagte. Ich selber nahm zwar nicht an, daß Gott ein grausames<br />

Wohlgefallen am unverschuldeten Leiden <strong>von</strong> Mensch und Tier empfand, es<br />

erschien mir aber keineswegs unsinnig zu denken, daß Er beabsichtigt h<strong>at</strong>te,<br />

eine Welt der Gegensätze zu schaffen, in der eines das andere fraß und das<br />

Leben eine Geburt zum Tode war. Die «wunderbaren Harmonien» der<br />

N<strong>at</strong>urgesetze kamen mir weit eher als ein mühsam gebändigtes Chaos vor,<br />

und der «ewige» Sternhimmel mit seinen vorgeschriebenen Bahnen erschien<br />

mir als eine offensichtliche Zusammenhäufung <strong>von</strong> Zufälligkeiten ohne Ord -<br />

nung und Sinn, denn die Sternbilder, <strong>von</strong> denen man sprach, konnte man in<br />

Wirklichkeit gar nicht sehen. Es waren bloße Willkürkombin<strong>at</strong>ionen.<br />

Inwiefern Gott die n<strong>at</strong>ürliche Welt mit Seiner Güte erfüllte, blieb mir<br />

dunkel, beziehungsweise äußerst zweifelhaft. Das war offenbar wieder einer<br />

jener Punkte, über die man nicht denken durfte, sondern die man glauben<br />

mußte. Wenn Gott das «höchste Gut» ist, warum ist Seine Welt, Sein<br />

Geschöpf so unvollkommen, so verdorben,so erbarmungswürdig? - Offenbar<br />

vom Teufel ge-<br />

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