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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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gen zu dem Zweck, die Vielfalt der psychischen Inhalte und Bilder<br />

vollständig zu eliminieren.<br />

In dem Maße, wie es mir gelang, die Emotionen in Bilder zu übersetzen, d.<br />

h. diejenigen Bilder zu finden, die sich in ihnen verbargen, tr<strong>at</strong> innere<br />

Beruhigung ein. Wenn ich es bei der Emotion belassen hätte, wäre ich<br />

womöglich <strong>von</strong> den Inhalten des Unbewußten zerrissen worden. Vielleicht<br />

hätte ich sie abspalten können, wäre dann aber unweigerlich in eine Neurose<br />

ger<strong>at</strong>en, und schließlich hätten mich die Inhalte doch zerstört. Mein<br />

Experiment verschaffte mir die Erkenntnis, wie hilfreich es vom<br />

therapeutischen Gesichtspunkt aus ist, die hinter den Emotionen liegenden<br />

Bilder bewußt zu machen.<br />

Ich schrieb die Phantasien auf, so gut ich konnte und gab mir Mühe, auch<br />

den psychischen Voraussetzungen, unter denen sie aufgetaucht waren,<br />

Ausdruck zu verleihen. Doch konnte ich das nur in sehr unbeholfener Sprache<br />

tun. Zuerst formulierte ich die Phantasien, wie ich sie wahrgenommen h<strong>at</strong>te,<br />

meist in einer «gehobenen Sprache», denn sie entspricht dem Stil der<br />

Archetypen. Die Archetypen reden p<strong>at</strong>hetisch und sogar schwülstig. Der Stil<br />

ihrer Sprache ist mir peinlich und geht gegen mein Gefühl, wie wenn jemand<br />

mit Nägeln an einer Gipswand oder mit dem Messer auf dem Teller kr<strong>at</strong>zt.<br />

Aber ich wußte ja nicht, um was es ging. So h<strong>at</strong>te ich keine Wahl. Es blieb<br />

mir nichts übrig, als alles in dem vom Unbewußten selbst gewählten Stil<br />

aufzuschreiben. Manchmal war es, wie wenn ich es mit den Ohren hörte.<br />

Manchmal fühlte ich es mit dem Munde, wie wenn meine Zunge Worte<br />

formulierte;<br />

und dann kam es vor, daß ich mich selbst Worte flüstern hörte. Unter der<br />

Schwelle des Bewußtseins war alles lebendig.<br />

Von Anfang an h<strong>at</strong>te ich die Konfront<strong>at</strong>ion mit dem Unbewußten als<br />

wissenschaftliches Experiment aufgefaßt, das ich mit mir selber anstellte und<br />

an dessen Ausgang ich vital interessiert war. Heute könnte ich allerdings auch<br />

sagen: es war ein Experiment, das mit mir angestellt wurde. Eine der größten<br />

Schwierigkeiten lag für mich darin, mit meinen neg<strong>at</strong>iven Gefühlen fertig zu<br />

werden. Ich überließ mich freiwillig den Emotionen, die ich doch nicht<br />

billigen konnte. Ich schrieb die Phantasien auf, welche mir oft wie Unsinn<br />

vorkamen und gegen die ich Widerstände empfand. Denn so lange man ihren<br />

Sinn nicht versteht, sind sie ein höllisches Gemisch <strong>von</strong> Erhabenem und<br />

Lächerlichem. Es h<strong>at</strong> mich viel gekostet durchzuhalten, aber ich wurde vom<br />

Schicksal dazu<br />

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