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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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Ceylon, dessen Eindrücke ich als letzte meiner Reise mitnahm, ist nicht<br />

mehr Indien, es ist bereits Südsee und h<strong>at</strong> etwas vom Paradies an sich, in dem<br />

man nicht zu lange verweilen kann. Colombo, einen intern<strong>at</strong>ionalen<br />

geschäftigen Hafen, wo abends zwischen fünf und sechs Uhr Wassermassen<br />

aus heiterem Himmel stürzen, ließen wir bald hinter uns, um das Hügelland<br />

des Innern zu gewinnen. Dort liegt Kandy, die alte Königsstadt, gehüllt in<br />

einen feinen Nebel, der mit warmkühler Feuchtigkeit eine grüne Üppigkeit<br />

des Pflanzenwuchses unterhält. Der Dalada-Maligawa-Tempel, der die<br />

Reliquie des heiligen Zahnes (<strong>von</strong> Buddha) enthält, ist zwar klein, aber <strong>von</strong><br />

besonderem Charme. Ich verbrachte längere Zeit in der Bibliothek im<br />

Gespräch mit den Mönchen und sah mir die auf silberne Folien geritzten<br />

Texte des Kanons an.<br />

Dort erlebte ich eine unvergeßliche Abendzeremonie. <strong>Jung</strong>e Burschen und<br />

Mädchen schütteten ganze Berge <strong>von</strong> entstielten Jasminblüten vor den<br />

Altären aus und sangen dabei leise ein Gebet, ein Mantra, vor sich hin. Ich<br />

dachte, sie beteten zu Buddha, aber der Mönch, der mich führte, erklärte mir:<br />

«Nein, Buddha ist nicht mehr; er ist im Nirvana, zu ihm kann man nicht<br />

beten. Sie singen:<br />

Vorübergehend wie die Schönheit dieser Blumen ist das Leben. Möge mein<br />

Gott mit mir das Verdienst dieser Darbringung teilen 8 ». Daß junge Menschen<br />

so singen, ist echt indisch.<br />

Die Zeremonie wurde eingeleitet durch ein einstündiges Trommelkonzert<br />

im Mandapam oder dem, was in indischen Tempeln als Wartehalle bezeichnet<br />

wird. Von den fünf Trommlern stellte sich je einer in einer Ecke des<br />

quadr<strong>at</strong>ischen Saales auf, der fünfte - ein schöner junger Mann - stellte sich in<br />

die Mitte. Er war der Solist und ein wahrer Künstler seines Faches. Mit<br />

nacktem, dunkelbraun glänzendem Oberkörper, roter Leibbinde, weißer<br />

Shoka (langer, bis auf die Füße reichender Rock) und weißem Turban, die<br />

Arme mit funkelnden Spangen bedeckt, tr<strong>at</strong> er mit seiner Doppeltrommel vor<br />

den goldenen Buddha, um «den Klang zu opfern». Dort trommelte er allein<br />

eine wundersame Melodie <strong>von</strong> vollendeter Kunst, in schönster Bewegung des<br />

Körpers und der Hände. Ich sah ihn <strong>von</strong> hinten, er stand vor dem mit kleinen<br />

Öllämpchen umrahmten Eingang zum Mandapam. Die Trommel spricht in<br />

Ursprache zum Bauch oder plexus solaris; dieser «bittet» nicht, sondern erzeugt<br />

das «verdienstvolle» Mantra oder die medit<strong>at</strong>ive «Äußerung».<br />

8 Für Gott wurde hier das Sanskritwort «Deva» = Schutzengel gebraucht. 287

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