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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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wie praktisch ist sie allem Lebendigen inhaerent. Dieser mächtigen<br />

Bedingung steht die leicht zerbrechliche Einheit des Ich gegenüber, die nur<br />

mit Hilfe unzähliger Schutzmaßnahmen allmählich im Laufe der Jahrtausende<br />

zustandegekommen ist. Daß ein Ich überhaupt möglich war, scheint da<strong>von</strong><br />

herzurühren, daß alle Gegensätze sich auszugleichen streben. Dies geschieht<br />

im energetischen Prozeß, der im Zusammenstoß <strong>von</strong> heiß und kalt, hoch und<br />

tief usw. seinen Anfang nimmt. Die dem bewußten seelischen Leben<br />

zugrundeliegende Energie ist diesem praeexistent und darum zunächst unbewußt.<br />

Nähert sie sich aber der Bewußtwerdung, so erscheint sie zunächst<br />

projiziert in Figuren wie Mana, Götter, Dämonen usw., deren Numen die<br />

lebensbedingende Kraftquelle zu sein scheint und es praktisch darum auch ist,<br />

so lange sie in dieser Form angeschaut wird. In dem Maße aber, als diese<br />

Form verblaßt und unwirksam wird, scheint das Ich, d. h. der empirische<br />

Mensch, in den Besitz dieser Kraftquelle zu ger<strong>at</strong>en und zwar in vollstem<br />

Sinne dieses zweideutigen S<strong>at</strong>zes: einerseits sucht man sich dieser Energie zu<br />

bemächtigen bzw. in deren Besitz zu gelangen oder wähnt sogar, sie zu<br />

besitzen; anderseits ist man <strong>von</strong> ihr besessen.<br />

Diese groteske Situ<strong>at</strong>ion kann allerdings nur dort eintreten, wo allein die<br />

Bewußtseinsinhalte als psychische Existenzform gelten. Wo dies der Fall ist,<br />

kann die Infl<strong>at</strong>ion durch rückkehrende Projektionen nicht vermieden werden.<br />

Wo man aber die Existenz einer unbewußten Psyche zugibt, da können die<br />

Projektionsinhalte in angeborene instinktive Formen, die dem Bewußtsein<br />

vorausgehen, rezipiert werden. Dadurch wird ihre Objektivität und<br />

Autonomie erhalten und die Infl<strong>at</strong>ion vermieden. Die Archetypen, die dem<br />

Bewußtsein praeexistent sind und es bedingen, erscheinen in der Rolle, die sie<br />

in Wirklichkeit spielen, nämlich als apriorische Strukturformen des<br />

instinktiven Bewußtseinsfundamentes. Sie stellen keineswegs ein An-Sich der<br />

Dinge dar, sondern vielmehr die Formen, in denen sie angeschaut und<br />

aufgefaßt werden. N<strong>at</strong>ürlich sind die Archetypen nicht die einzigen Gründe<br />

für das Sosein der Anschauungen. Sie begründen nur den kollektiven Anteil<br />

einer Auffassung. Als eine Eigenschaft des Instinktes nehmen sie teil an<br />

dessen dynamischer N<strong>at</strong>ur und besitzen infolgedessen eine spezifische<br />

Energie, welche bestimmte Verhaltensweisen oder Impulse veranlaßt oder<br />

auch erzwingt, d. h. sie haben unter Umständen possedierende oder<br />

obsedierende Gewalt (Numinosität!). Ihre Auffassung als Daimonia ist daher<br />

durch ihre N<strong>at</strong>ur gewährleistet.<br />

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