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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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konnte, wo ich ihm schon einmal begegnet war. Schließlich fiel es mir ein: es<br />

war mein Coiffeur <strong>von</strong> Ch<strong>at</strong>tanooga in Tennessee! Ein amerikanischer Neger!<br />

Im Traum hielt er eine riesige glühende Brennschere gegen meinen Kopf und<br />

wollte meine Haare «kinky» machen, das heißt, er wollte mir Negerhaare<br />

andrehen. Ich fühlte schon die schmerzhafte Hitze und erwachte mit einem<br />

Angstgefühl.<br />

Ich nahm den Traum als eine Warnung des Unbewußten; denn er besagte,<br />

daß das Primitive eine Gefahr für mich war. Damals war ich offenbar dem<br />

«going-black» am nächsten. Ich h<strong>at</strong>te einen Anfall <strong>von</strong> «sandfly fever», der<br />

wohl meine psychische Widerstandskraft herabgesetzt h<strong>at</strong>te. Um einen mir<br />

bedrohlichen Neger darzustellen, war eine zwölf Jahre alte Erinnerung an<br />

meinen schwarzen Coiffeur in Amerika mobilisiert worden, um ja nicht an die<br />

Gegenwart zu erinnern.<br />

Das eigentümliche Verhalten der <strong>Träume</strong> entspricht übrigens der<br />

Erfahrung, die man bereits im Ersten Weltkrieg gemacht h<strong>at</strong>te: Die Sold<strong>at</strong>en<br />

im Felde träumten viel weniger vom Krieg als <strong>von</strong> 211 Hause. Unter den<br />

Militärpsychi<strong>at</strong>ern galt es als Grunds<strong>at</strong>z, einen Mann aus der Front<br />

herauszuziehen, wenn er zu viel <strong>von</strong> Kriegsszenen träumte, denn dann h<strong>at</strong>te er<br />

gegen die Eindrücke <strong>von</strong> außen keine psychische Abwehr mehr.<br />

Parallel zu den Ereignissen des anspruchsvollen afrikanischen Milieus<br />

wurde in meinen <strong>Träume</strong>n eine innere Linie mit Erfolg festgehalten und<br />

durchgesetzt. Sie handelte <strong>von</strong> meinen persönlichsten Problemen. Ich konnte<br />

aus dieser T<strong>at</strong>sache keinen anderen Schluß ziehen, als daß meine europäische<br />

Persönlichkeit unter allen Umständen integral erhalten werden sollte.<br />

Aus meinem Erstaunen schöpfte ich den Verdacht, daß ich mit meinem<br />

Afrikaabenteuer den heimlichen Zweck verbunden h<strong>at</strong>te, <strong>von</strong> Europa und<br />

seiner Problem<strong>at</strong>ik loszukommen, selbst auf die Gefahr hin, dort zu bleiben<br />

wie so viele andere vor mir und gleichzeitig mit mir. Die Reise erschien mir<br />

weniger eine Erforschung primitiver Psychologie zu sein, «Bugishu<br />

Psychological Expedition» (B.P.E., schwarze Lettern auf chopboxes!), als<br />

vielmehr die etwas peinliche Frage zum Gegenstand zu haben: was geschieht<br />

mit dem Psychologen <strong>Jung</strong> «in the wilds of Africa»? Eine Frage, der ich<br />

anhaltend auszuweichen suchte, trotz meines intellektuellen Vorhabens, die<br />

Reaktion des Europäers auf Urweltsbedingungen zu untersuchen. Dies war<br />

aber, wie ich zu meinem Erstaunen herausfand,<br />

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