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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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war das Gefäß, in dem die Wandlung der Substanzen sich vollziehen sollte.<br />

Im Zentrum meiner psychologischen Entdeckungen steht wiederum ein<br />

Prozeß innerer Wandlung: die Individu<strong>at</strong>ion.<br />

Bevor ich die Alchemie entdeckte, h<strong>at</strong>ten sich wiederholt <strong>Träume</strong><br />

eingestellt, bei welchen es sich immer um das gleiche Motiv handelte: neben<br />

meinem Haus stand noch ein anderes, d. h. ein anderer Flügel oder ein Anbau,<br />

der mir fremd war. Jedesmal wunderte ich mich im Traume, daß ich das Haus<br />

nicht kannte, obwohl es doch anscheinend immer schon dagewesen war.<br />

Schließlich kam ein Traum, in welchem ich in den anderen Flügel gelangte.<br />

Ich entdeckte dort eine wunderbare Bibliothek, die zum großen Teil aus dem<br />

16. und aus dem 17. Jahrhundert stammte. Große dicke Folianten, in<br />

Schweinsleder gebunden, standen an den Wänden. Unter ihnen gab es etliche,<br />

die mit Kupferstichen <strong>von</strong> seltsamer N<strong>at</strong>ur verziert waren und Abbildungen<br />

wunderlicher Symbole enthielten, wie ich sie noch nie gesehen h<strong>at</strong>te. Ich<br />

wußte damals nicht, worauf sie sich bezogen, und erkannte erst sehr viel<br />

später, daß es alchemistische Symbole waren. Im Traume erlebte ich nur eine<br />

unbeschreibliche Faszin<strong>at</strong>ion, die <strong>von</strong> ihnen und der ganzen Bibliothek<br />

ausging. Es war eine mittelalterliche Sammlung <strong>von</strong> Incuna-beln und<br />

Drucken des 16. Jahrhunderts.<br />

Der mir unbekannte Flügel ist ein Teil meiner Persönlichkeit, ein Aspekt<br />

meiner selbst; er stellt etwas dar, das zu mir gehört, mir aber damals noch<br />

nicht bewußt war. Er und besonders die Bibliothek bezogen sich auf die<br />

Alchemie, die ich ebenfalls noch nicht kannte, deren Studium mir aber<br />

bevorstand. Etwa fünfzehn Jahre später h<strong>at</strong>te ich eine einigermaßen ähnliche<br />

Bibliothek in Wirklichkeit gesammelt.<br />

Der entscheidende Traum, der meine Begegnung mit der Alchemie<br />

vorausnahm, kam etwa 1926:<br />

Ich bin in Süd -Tirol. Es ist Krieg. Ich befinde mich an der italienischen<br />

Front und fahre aus der Frontzone zurück mit einem kleinen Mann, einem<br />

Bauern, auf seinem Pferdewagen. Ringsum schlagen Gran<strong>at</strong>en ein, und ich<br />

weiß, daß wir so rasch wie möglich weiter müssen, denn es ist sehr<br />

gefährlich'.<br />

8 Die Gran<strong>at</strong>en, die vom Himmel fallen, sind als Geschosse zu verstehen, die <strong>von</strong> der<br />

«ändern Seite» kommen, vom Feinde her. Es sind also Wirkun-gen, die vom<br />

Unbewußten, <strong>von</strong> er Seite des Sch<strong>at</strong>tens ausgehen. Das Traumgeschehen deutet darauf<br />

hin, daß der Krieg, der sich einige Jahre<br />

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