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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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Tode, also seit 1896, h<strong>at</strong>te ich nie mehr <strong>von</strong> ihm geträumt. Nun erschien er<br />

wieder in einem Traum, wie wenn er <strong>von</strong> einer weiten Reise zurückgekehrt<br />

wäre. Er sah verjüngt aus und nicht väterlich autoritär. Ich ging mit ihm in<br />

meine Bibliothek und freute mich riesig, zu erfahren, wie es ihm ergangen sei.<br />

Ganz besonders freute ich mich darauf, ihm meine Frau und meine Kinder<br />

vorzustellen, ihm mein Haus zu zeigen und zu erzählen, was ich inzwischen<br />

alles getan hätte und geworden sei. Ich wollte ihm auch <strong>von</strong> dem Typenbuch<br />

berichten, das jüngst herausgekommen war. Aber ich sah sogleich, daß alles<br />

das nicht möglich war, denn mein V<strong>at</strong>er schien präokkupiert. Anscheinend<br />

wollte er etwas <strong>von</strong> mir. Das fühlte ich deutlich und stellte mich darum selber<br />

zurück. Da sagte er mir, er möchte mich, da ich ja Psychologe sei, gern<br />

konsultieren und zwar über Ehepsychologie. Ich machte mich bereit, ihm<br />

einen längeren Exkurs über die Komplik<strong>at</strong>ionen der Ehe zu geben, und daran<br />

bin ich erwacht. Ich konnte den Traum nicht recht verstehen, denn es kam mir<br />

nicht in den Sinn, daß er sich auf den Tod meiner Mutter beziehen könnte.<br />

Das wurde mir erst klar, als sie im Januar 1923 plötzlich starb.<br />

Die Ehe meiner Eltern war kein glückhaftes Einvernehmen, sondern eine<br />

durch viele Schwierigkeiten belastete Geduldsprobe. Beide machten die für<br />

viele Ehepaare typischen Fehler. Aus meinem Traum hätte ich den Tod<br />

meiner Mutter voraussehen können:<br />

nach sechsundzwanzigj ähriger Abwesenheit erkundigte sich mein V<strong>at</strong>er im<br />

Traum beim Psychologen nach den neuesten Einsichten und Erkenntnissen,<br />

Ehekomplik<strong>at</strong>ionen betreffend, da für ihn die Zeit gekommen war, das<br />

Problem wieder aufzunehmen. Er h<strong>at</strong>te in seinem zeitlosen Zustand offenbar<br />

keine besseren Einsichten erworben und mußte sich deshalb an den Lebenden<br />

wenden, der unter veränderten Zeitumständen einige neue Gesichtspunkte<br />

h<strong>at</strong>te gewinnen können.<br />

So spricht der Traum. Unzweifelhaft hätte ich durch Einsicht in seinen<br />

subjektiven Sinn noch viel gewinnen können - aber warum träumte ich ihn<br />

gerade vor dem Tode meiner Mutter, <strong>von</strong> welchem ich keine Voraussicht<br />

h<strong>at</strong>te? Er ist deutlich auf meinen V<strong>at</strong>er ausgerichtet, mit dem mich eine mit<br />

den Jahren sich vertiefende Symp<strong>at</strong>hie verband.<br />

Da das Unbewußte infolge seiner Zeit-Raum-Rel<strong>at</strong>ivität bessere<br />

Inform<strong>at</strong>ionsquellen h<strong>at</strong> als das Bewußtsein, welches nur über die<br />

Sinneswahrnehmungen verfügt, sind wir in bezug auf unseren<br />

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