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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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nachträglich sehr bedauerte. Später nahm ich allerdings das Experiment so oft<br />

mit meinen P<strong>at</strong>ienten vor, daß ich mich der rel<strong>at</strong>iv bedeutsamen Zahl der<br />

offensichtlichen Treffer versichern konnte. Als Beispiel erwähne ich den Fall<br />

eines jüngeren Mannes mit einem bemerkenswerten Mutterkomplex. Er<br />

beabsichtigte zu heir<strong>at</strong>en und h<strong>at</strong>te die Bekanntschaft eines Mädchens<br />

gemacht, das ihm passend erschien. Er fühlte sich aber unsicher und fürchtete<br />

die Möglichkeit, daß er unter dem Einfluß seines Mutterkomplexes aus Versehen<br />

wiederum eine überwältigende Mutter heir<strong>at</strong>en könnte. Ich machte das<br />

Experiment mit ihm. Der Text seines Hexagrammes (des Result<strong>at</strong>es) lautete:<br />

«Das Mädchen ist mächtig. Man soll ein solches Mädchen nicht heir<strong>at</strong>en.»<br />

Mitte der dreißiger Jahre traf ich mit dem chinesischen Philosophen Hu<br />

Shih zusammen. Ich fragte ihn nach dem I Ging und erhielt als Antwort: «Oh,<br />

das ist nichts als eine alte Sammlung <strong>von</strong> Zaubersprüchen ohne Bedeutung!»<br />

Er kannte die praktische Methode und ihre Anwendung nicht - angeblich. Nur<br />

einmal sei er damit zusammengestoßen. Auf einem Spaziergang hätte ihm ein<br />

Freund <strong>von</strong> seiner unglücklichen Liebesgeschichte gesprochen. Sie gingen<br />

dabei eben an einem Taoistischen Tempel vorbei. Zum Spaß hätte er zu<br />

seinem Freund gesagt: «Hier kannst du ja das Orakel darüber befragen.»<br />

Gesagt, getan. Sie gingen zusammen in den Tempel und erb<strong>at</strong>en sich vom<br />

Priester ein I-Ging-Orakel. Er selber glaube aber diesen Unsinn nicht.<br />

Ich fragte ihn, ob denn das Orakel gar nicht gestimmt hätte? Worauf er,<br />

wie widerwillig, antwortete: «Oh doch - n<strong>at</strong>ürlich - » Eingedenk der<br />

bekannten Geschichte vom «guten Freund», der alles das tut, was man sich<br />

selber nicht zuschreiben möchte, fragte ich ihn vorsichtig, ob er denn diese<br />

Gelegenheit nicht selber auch benutzt habe. «Ja», erwiderte er, «zum Spaß<br />

stellte ich auch eine Frage.»<br />

«Und nahm das Orakel darauf bezug ?» fragte ich.<br />

Er zögerte. «Nun ja, wenn man so will.» Es war ihm offenbar unangenehm.<br />

Persönliches stört eben gelegentlich die Objektivität.<br />

Wenige Jahre nach meinen ersten Experimenten mit den Schilfstengeln<br />

erschien der I Ging mit dem Wilhelmschen Kommentar. N<strong>at</strong>ürlich besorgte<br />

ich ihn mir sofort und fand zu meiner Genugtuung, daß er die<br />

Sinnzusammenhänge ganz ähnlich sah, wie ich sie mir zurechtgelegt h<strong>at</strong>te.<br />

Aber er kannte die gesamte Liter<strong>at</strong>ur und<br />

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