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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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mein Argument «komfortabel». Nun aber hieß es auch, daß der «her Jesus»<br />

überhaupt auch andere Leute «zu sich nähme», was mit Verlochung in der<br />

Erde gleichbedeutend war.<br />

Der sinistre Analogieschluß h<strong>at</strong>te f<strong>at</strong>ale Folgen. Ich fing an, dem «her<br />

Jesus» zu mißtrauen. Er verlor seinen Aspekt als großer, komfortabler und<br />

wohlwollender Vogel und wurde mit den finstern, schwarzen Männern im<br />

Gehrock, mit Zylinder und schwarzen blank gewichsten Schuhen, die mit der<br />

schwarzen Kiste zu tun h<strong>at</strong>ten, assoziiert.<br />

Diese meine Rumin<strong>at</strong>ionen führten zu meinem ersten bewußten Trauma.<br />

An einem heißen Sommertag saß ich, wie gewöhnlich, allein auf der Straße<br />

vor dem Haus und spielte im Sand. Die Straße lief vor dem Haus vorbei zu<br />

einem Hügel, an dem sie emporstieg und sich oben im Wald verlor. Man<br />

konnte daher vom Haus aus eine große Strecke des Weges überblicken. Auf<br />

dieser Straße sah ich nun eine Gestalt mit breitem Hut und langem schwarzem<br />

Gewand vom Wald herunter kommen. Sie sah aus wie ein Mann, der eine Art<br />

Frauengewand trug. Die Gestalt kam langsam näher, und ich konnte<br />

feststellen, daß es t<strong>at</strong>sächlich ein Mann war, der eine Art bis auf die Füße<br />

reichenden, schwarzen Rock trug. Bei seinem Anblick befiel mich Furcht, die<br />

rasch zu tötlichem Schrecken anwuchs, denn in mir formte sich die<br />

entsetzenerregende Erkenntnis: «Das ist ein Jesuit!» Kurz zuvor h<strong>at</strong>te ich<br />

nämlich einem Gespräch zugehört, das mein V<strong>at</strong>er mit einem Amtskollegen<br />

über die Umtriebe der «Jesuiten» führte. Aus dem halb ärgerlichen, halb<br />

ängstlichen Gefühlston seiner Bemerkungen erhielt ich den Eindruck, daß<br />

«Jesuiten» etwas besonders Gefährliches, sogar für meinen V<strong>at</strong>er, darstellten.<br />

Im Grunde wußte ich nicht, was «Jesuiten» bedeutete. Aber das Wort Jesus<br />

kannte ich aus meinem Gebetlein.<br />

Der Mann, der die Straße herunterkam, war offenbar verkleidet, dachte ich.<br />

Darum trug er Frauenkleider. Wahrscheinlich h<strong>at</strong>te er böse Absichten. Mit<br />

Todesschrecken rannte ich spornstreichs ins Haus, die Treppe hinauf bis auf<br />

den Estrich, wo ich mich unter einem Balken in einem finstern Winkel<br />

verkroch. Ich weiß nicht, wie lange ich dort blieb. Es muß aber ziemlich lange<br />

gewesen sein, denn als ich vorsichtig wieder in den ersten Stock hinunterstieg<br />

und mit äußerster Behutsamkeit den Kopf zum Fenster hinausstreckte, war<br />

weit und breit keine Spur mehr <strong>von</strong> der schwarzen Gestalt zu sehen. Der<br />

Höllenschrecken lag mir aber noch tagelang<br />

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