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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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Ofen. Abends zünde ich die alten Lampen an. Es gibt auch kein fließendes<br />

Wasser, ich muß das Wasser selber pumpen. Ich hacke das Holz und koche<br />

das Essen. Diese einfachen Dinge machen den Menschen einfach; und wie<br />

schwer ist es, einfach zu sein!<br />

In Bollingen umgibt mich Stille, und man lebt «in modest har-mony with<br />

n<strong>at</strong>ure 2 ». <strong>Gedanken</strong> tauchen auf, die in die Jahrhunderte zurückreichen und<br />

dementsprechend ferne Zukunft antizipieren. Hier mindert sich die Qual des<br />

Schaffens; das Schöpferische und das Spielerische sind nahe beisammen.<br />

Im Jahre 1950 habe ich dem, was der Turm mir bedeutet, eine Art<br />

Denkmal aus Stein gesetzt. Es ist eine merkwürdige Geschichte, wie der Stein<br />

zu mir gekommen ist:<br />

Als ich die Abgrenzungsmauer des sogenannten Gartens baute, brauchte<br />

ich Steine und bestellte sie im Steinbruch in der Nähe <strong>von</strong> Bollingen. In<br />

meiner Gegenwart h<strong>at</strong>te der Maurer alle Maße dem Besitzer des Steinbruchs<br />

diktiert, und dieser trug sie in sein Büchlein ein. Als dann die Steine mit dem<br />

Schiff kamen und ausgeladen wurden, stellte sich heraus, daß der soit -disant<br />

Eckstein ganz falsche Maße h<strong>at</strong>te: anst<strong>at</strong>t eines dreikantigen Steines h<strong>at</strong>te man<br />

einen Kubus gebracht. Es war ein vollkommener Würfel, <strong>von</strong> viel größeren<br />

Dimensionen als er bestellt worden war, mit einer Kante <strong>von</strong> etwa 50<br />

Centimetern. Der Maurer war wütend und sagte den Schiffsleuten, sie<br />

könnten ihn sofort wieder mitnehmen.<br />

Als ich aber den Stein erblickte, sagte ich: «Nein, das ist mein Stein - den<br />

muß ich haben!» Ich h<strong>at</strong>te nämlich gleich gesehen, daß er mir eben gerade<br />

paßte und daß ich etwas mit ihm tun wollte. Nur wußte ich noch nicht was.<br />

Das erste, was mir einfiel, war ein l<strong>at</strong>einischer Vers des Alchemi-sten<br />

Arnaldus de Villanova (gest. 1313) und er war auch das erste, was ich in den<br />

Stein meißelte. Übersetzt lautet er:<br />

«Hier steht der Stein, der unansehnliche.<br />

Zwar ist er punkto Preis billig -<br />

Er wird <strong>von</strong> den Dummen verachtet,<br />

Umso mehr aber <strong>von</strong> den Wissenden geliebt.»<br />

Dieser Spruch bezieht sich auf den alchemistischen Stein, den lapis, der<br />

<strong>von</strong> den Unwissenden verachtet und verworfen wurde.<br />

1 Titel eines alten Chinesischen Holzschnittes, auf dem sich ein kleiner alter Mann in<br />

einer heroischen Landschaft befindet. A. J.<br />

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