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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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meine Mutter berichtete, durch zwei zu dividieren. Ich h<strong>at</strong>te nur noch ein<br />

bedingtes Vertrauen zu ihr, und das hinderte mich daran, ihr jemals etwas<br />

mitzuteilen, was mich ernstlich beschäftigte.<br />

Aber manchmal kamen Augenblicke, wo ihre zweite Persönlichkeit<br />

herausbrach, und das, was sie dann sagte, war immer dermaßen «to the point»<br />

und so wahr, daß ich davor gezittert habe. Hätte sich meine Mutter dabei<br />

behaften lassen, so hätte ich einen Gesprächspartner gehabt.<br />

Bei meinem V<strong>at</strong>er lag der Fall allerdings anders. Ich hätte ihm gern meine<br />

religiösen Beschwernisse unterbreitet und ihn um R<strong>at</strong> gefragt, aber ich t<strong>at</strong> es<br />

nicht, weil es mir schien, als ob ich wüßte, was er mir aus ehrenwerten<br />

Gründen, seines Amtes wegen antworten müßte. Wie sehr ich mit dieser<br />

Annahme recht h<strong>at</strong>te, bestätigte sich mir wenig später. Mein V<strong>at</strong>er erteilte mir<br />

persönlich Konfirm<strong>at</strong>ionsunterricht, der mich maßlos langweilte. Einmal blätterte<br />

ich im K<strong>at</strong>echismus, um etwas anderes zu finden als die mir sentimental<br />

klingenden und im übrigen unverständlichen und uninteressanten<br />

Ausführungen über den «her Jesus». Da stieß ich auf den Paragraphen über<br />

die Dreieinigkeit Gottes. Das war nun etwas, das mein Interesse<br />

herausforderte: eine Einheit, die zugleich eine Dreiheit ist. Das war ein<br />

Problem, dessen innerer Widerspruch mich fesselte. Ich wartete sehnlichst auf<br />

den Moment, wo wir zu dieser Frage kommen würden. Als wir soweit waren,<br />

sagte mein V<strong>at</strong>er: «Wir kämen jetzt zur Dreieinigkeit, wir wollen das aber<br />

überschlagen, denn ich verstehe eigentlich nichts da<strong>von</strong>.» Einerseits<br />

bewunderte ich die Wahrhaftigkeit meines V<strong>at</strong>ers, andererseits aber war ich<br />

aufs tiefste enttäuscht und dachte: Da haben wir's, sie wissen nichts da<strong>von</strong><br />

und denken auch nichts. Wie kann ich dann da<strong>von</strong> reden ?<br />

Ich machte vergebliche, andeutende Versuche bei gewissen Kameraden,<br />

die mir nachdenklich erschienen. Ich fand kein Echo, im Gegenteil ein<br />

Befremden, das mich warnte.<br />

Trotz der Langeweile gab ich mir alle Mühe, mich zum Glauben ohne<br />

Verstehen zu zwingen - eine Haltung, die derjenigen meines V<strong>at</strong>ers zu<br />

entsprechen schien - und bereitete mich zum Abendmahl vor, auf das ich<br />

meine letzte Hoffnung gesetzt h<strong>at</strong>te. Es war zwar bloß ein Gedächtnismahl,<br />

eine Art Erinnerungsfeier für den 1890-30=1860 Jahre zuvor verstorbenen<br />

«her Jesus». Aber Er h<strong>at</strong>te doch gewisse Andeutungen gemacht wie «Nehmet,<br />

esset, das ist mein Leib» und damit das Abendmahlbrot gemeint, das wir<br />

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