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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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Ein Thema, das mir schon seit meinem Buch über «Wandlungen und<br />

Symbole der Libido» am Herzen lag, war die Theorie der Libido. Ich faßte die<br />

Libido als ein psychisches Analogon der physikalischen Energie auf, also als<br />

einen annähernd quantit<strong>at</strong>iven Begriff und lehnte darum jede qualit<strong>at</strong>ive<br />

Wesensbestimmung der Libido ab. Es lag mir daran, <strong>von</strong> dem bis dahin<br />

bestehenden Konkretismus der Libidolehre loszukommen, also nicht mehr<br />

<strong>von</strong> Hunger-, Aggressions- oder Sexualtrieben usw. zu sprechen, sondern alle<br />

diese Erscheinungen als verschiedenartige Äußerungen der psychischen<br />

Energie zusammenzusehen.<br />

Auch in der Physik spricht man <strong>von</strong> Energie und ihren Erscheinungsweisen<br />

als Elektrizität, Licht, Wärme usw. Genauso ist es in der Psychologie. Es<br />

handelt sich auch hier in erster Linie um Energie (d. h. um Intensitätswerte,<br />

um ein mehr oder weniger), und die Erscheinungsform kann sehr<br />

verschiedenartig sein. Durch die energetische Auffassung der Libido entsteht<br />

eine gewisse Einheitlichkeit der Anschauungen, während die oft kontroversen<br />

Fragen nach der N<strong>at</strong>ur der Libido - ob sie Sexualität, Macht, Hunger, oder<br />

etwas anderes sei - in den Hintergrund treten. Es lag mir daran, eine<br />

Einheitlichkeit, wie sie in den N<strong>at</strong>urwissenschaften als eine allgemeine<br />

Energetik besteht, auch für die Psychologie herzustellen. Dies war das Ziel,<br />

das ich in dem Buch «Über die Energetik der Seele» (1928) verfolgte 10 . Ich<br />

betrachte z.B. die menschlichen Triebe als Manifest<strong>at</strong>ionsformen<br />

energetischer Vorgänge und damit als Kräfte analog der Wärme, dem Licht<br />

usw. Wie es dem heutigen Physiker nicht einfallen würde, alle Kräfte z. B.<br />

lediglich aus der Wärme abzuleiten, so wenig ist es in der Psychologie<br />

zulässig, alle Triebe dem Begriff der Macht oder demjenigen der Sexualität<br />

unterzuordnen. Dies war Freuds anfänglicher Irrtum;<br />

später h<strong>at</strong> er ihn korrigiert durch die Annahme der «Ichtriebe», um noch<br />

später dem Über-Ich sozusagen die Suprem<strong>at</strong>ie zu verleihen.<br />

In «Die Beziehungen zwischen dem Ich und dem Unbewußten» h<strong>at</strong>te ich<br />

nur festgestellt, daß und wie ich mich auf das Unbewußte beziehe, aber über<br />

das Unbewußte selber noch nichts gesagt. Die Beschäftigung mit meinen<br />

Phantasien vermittelte mir eine Ahnung, daß es sich wandelt oder Wandlung<br />

bewirkt. Erst als ich die Alche-mie kennen lernte, wurde es mir klar, daß das<br />

Unbewußte ein Prozeß ist, und daß die Beziehung des Ich zu den Inhalten des<br />

Un-<br />

10 Die Aufsätze dieses Bandes sind enthalten in Ges. Werke VIII, 1967.<br />

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