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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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eherrschen, kann sich nicht <strong>von</strong> ihnen befreien oder loskommen und<br />

empfindet sie daher als rel<strong>at</strong>iv übermächtig. In der richtigen Erkenntnis, daß<br />

sie nicht seiner bewußten Persönlichkeit entspringen, bezeichnet er sie als<br />

Mana, Dämon oder Gott. Die wissenschaftliche Erkenntnis bedient sich des<br />

Terminus «das Unbewußte» und gibt damit Zu, daß sie darüber nichts weiß,<br />

denn sie kann über die Substanz der Psyche darum nichts wissen, weil sie ja<br />

nur mittels der Psyche überhaupt erkennen kann. Darum kann man die<br />

Gültigkeit der Bezeichnung als Mana, Dämon oder Gott weder bestreiten<br />

noch bejahen, wohl aber kann man feststellen, daß das mit der Erfahrung<br />

eines Objektiven verbundene Fremdheitsgefühl authentisch ist.<br />

Wir wissen, daß das Unbekannte, Fremde uns geschieht; so wie wir<br />

wissen, daß wir einen Traum oder einen Einfall nicht machen, sondern daß er<br />

irgendwie <strong>von</strong> sich aus entsteht. Was uns auf diese Weise zustößt, kann man<br />

als Wirkung bezeichnen, die <strong>von</strong> einem Mana, einem Dämon, <strong>von</strong> Gott oder<br />

vom Unbewußten ausgeht. Erstere drei Bezeichnungen haben den großen<br />

Vorteil, daß sie die emotionale Qualität des Numinosen umschließen und<br />

evozieren, während letztere - das Unbewußte - banal und darum wirklichkeitsnäher<br />

ist. Dieser Begriff schließt die Erfahrbarkeit, d. h. die tagtägliche<br />

Wirklichkeit, so wie sie uns bekannt und zugänglich ist, ein. Das Unbewußte<br />

ist ein zu neutraler und r<strong>at</strong>ionaler Begriff, als daß er sich der Imagin<strong>at</strong>ion<br />

praktisch als hilfreich erweisen würde. Er ist eben für wissenschaftliche<br />

Verwendung geprägt und ist für leidenschaftslose Betrachtung, die keine<br />

metaphysischen Ansprüche erhebt, viel besser geeignet als transzendente<br />

Begriffe, welche anfechtbar sind und darum zu einem gewissen Fan<strong>at</strong>ismus<br />

verführen.<br />

Ich ziehe daher den Terminus «das Unbewußte» vor, wohl wis send, daß<br />

ich ebensogut \on «Gott» und «Dämon» reden könnte, wenn ich mich<br />

mythisch ausdrücken wollte. Insofern ich mich aber mythisch ausdrücke,<br />

geschieht es mit dem Bewußtsein, daß «Mana», «Dämon» und «Gott»<br />

Synonyme des Unbewußten sind, indem wir <strong>von</strong> ersteren genau so viel oder<br />

so wenig wissen wie <strong>von</strong> letzterem. Man glaubt nur viel mehr <strong>von</strong> den<br />

ersteren zu wissen, was für gewisse Zwecke allerdings nützlicher und<br />

wirksamer ist als ein wissenschaftlicher Begriff.<br />

Der große Vorteil der Begriffe «Dämon» und «Gott» liegt darin, daß sie<br />

eine viel bessere Objektivierung des Gegenüber, nämlich die<br />

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