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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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Wir wissen durchaus nicht anzugeben, woraus der aufbauende Faktor der<br />

biologischen Entwicklung besteht. Wir wissen aber wohl, daß Warmblütigkeit<br />

und Gehirndifferenzierung für die Entstehung des Bewußtseins notwendig<br />

waren, und damit auch für das Offenbarwerden eines Sinnes. Durch was für<br />

Zufälligkeiten und Risiken der durch Jahrmillionen sich erstreckende Aufbau<br />

eines lemurischen Baumbewohners zum Menschen hindurchgedrungen ist,<br />

läßt sich nicht erträumen. In diesem Zufallschaos waren wohl<br />

synchronistische Phänomene am Werke, welche gegenüber den bekannten<br />

N<strong>at</strong>urgesetzen und mit Hilfe derselben in archetypischen Momenten<br />

Synthesen, die uns wunderbar erscheinen, vollziehen konnten. Kausalität und<br />

Teleologie versagen hier, denn synchronistische Phänomene verhalten sich<br />

wie Zufälle.<br />

Da die n<strong>at</strong>urgesetzliche Wahrscheinlichkeit keinen Anhaltspunkt gibt zur<br />

Vermutung, daß aus Zufälligkeit allein höhere Synthesen, wie z. B. die<br />

Psyche, entstehen könnten, so brauchen wir die Hypothese eines l<strong>at</strong>enten<br />

Sinnes, um nicht nur die synchronistischen Phänomene, sondern auch die<br />

höheren Synthesen zu erklären. Sinn-haftigkeit scheint immer zunächst<br />

unbewußt zu sein und kann deshalb nur post hoc entdeckt werden; darum<br />

besteht auch immer die Gefahr, daß Sinn dort hineingelegt wird, wo nichts<br />

dergleichen vorhanden ist. Wir brauchen die synchronistischen Erfahrungen,<br />

um die Hypothese eines l<strong>at</strong>enten Sinnes, der vom Bewußtsein unabhängig ist,<br />

begründen zu können.<br />

Da eine Schöpfung ohne das reflektierende Bewußtsein des Menschen<br />

keinen erkennbaren Sinn h<strong>at</strong>, so wird mit der Hypothese eines l<strong>at</strong>enten Sinnes<br />

dem Menschen eine kosmogonische Bedeutung zugedacht, eine wahrhafte<br />

raison d'etre. Wenn dagegen dem Schöpfer der l<strong>at</strong>ente Sinn als bewußter<br />

Schöpfungsplan zugeschrieben wird, dann entsteht die Frage: warum sollte<br />

der Schöpfer dieses ganze Weltphänomen veranstalten, da Er ja bereits darum<br />

weiß, worin Er sich spiegeln könnte, und warum sollte Er sich spiegeln, da Er<br />

ja bereits Seiner selbst bewußt ist ? Wozu sollte Er neben seiner omniscientia<br />

ein zweites, minderwertiges Bewußtsein erschaffen? gewissermaßen<br />

Milliarden <strong>von</strong> trüben Spiegelchen, <strong>von</strong> denen Er ja schon zum voraus weiß.<br />

wie das Bild sein wird, das sie wiederg eben können?<br />

Nach all diesen Überlegungen bin ich zum Schluß gekommen, daß die<br />

Ebenbildlichkeit nicht nur für den Menschen gilt, sondern auch für den<br />

Schöpfer: Er ist dem Menschen ähnlich oder gleich,<br />

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