30.12.2012 Aufrufe

Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

mos <strong>von</strong> Panopolis, eines Alchemisten und Gnostikers des dritten<br />

Jahrhunderts, verglich". Mein Versuch einer Konfront<strong>at</strong>ion der Analytischen<br />

Psychologie mit den christlichen Anschauungen führte mich schließlich zur<br />

Frage nach Christus als einer psychologischen Gestalt. Schon in «Psychologie<br />

und Alchemie» (1944) h<strong>at</strong>te ich in der alchemistischen Zentralvorstellung des<br />

Lapis, des Steines, eine Parallelfigur zu Christus nachweisen können.<br />

Im Jahre 1959 hielt ich ein Seminar über die «Exercitia Spiri-tualia» des<br />

Ign<strong>at</strong>ius <strong>von</strong> Loyola. Gleichzeitig war ich mit den Studien zu «Psychologie<br />

und Alchemie» beschäftigt. Eines Nachts erwachte ich und sah in helles<br />

Licht getaucht den Crucifixus am Fußende des Bettes. Er erschien nicht ganz<br />

in Lebensgröße, war aber sehr deutlich, und ich sah, daß sein Leib aus<br />

grünlichem Golde bestand. Es war ein herrlicher Anblick, doch ich erschrak<br />

über das Geschaute. Visionen als solche sind mir sonst nichts Ungewöhnliches,<br />

denn ich sehe öfters plastische hypnagogische Bilder.<br />

Damals h<strong>at</strong>te ich viel über die «Anima Christi», eine Medit<strong>at</strong>ion aus den<br />

«Exercitia», nachgedacht. Die Vision schien mir nahezulegen, daß ich bei<br />

meinem Nachdenken etwas übersehen h<strong>at</strong>te, und das war die Analogie<br />

Christi zum «aurum non vulgi» (dem nicht gewöhnlichen Golde) und der<br />

«viriditas» (der Grüne) der Alchemisten. Als ich verstand, daß das Bild auf<br />

diese zentralen alchemistischen Symbole hinwies, daß es sich also eigentlich<br />

um eine alchemistische Christus-Vision handelte, war ich getröstet.<br />

Das grüne Gold ist die lebendige Qualität, die die Alchemisten nicht nur<br />

im Menschen sahen, sondern auch in der anorganischen N<strong>at</strong>ur. Es ist<br />

Ausdruck für einen Lebensgeist, die «anima mundi», oder den «filius<br />

macrocosmi», den in der ganzen Welt lebendigen Anthropos. Bis in die<br />

anorganische M<strong>at</strong>erie ist dieser Geist ausgegossen, er liegt auch im Metall<br />

und im Stein. So war meine Vision eine Verein igung des Bildes Christi mit<br />

seiner Analogie, die in der M<strong>at</strong>erie liegt, nämlich dem filius macrocosmi.<br />

Wäre mir das grüne Gold nicht aufgefallen, so wäre ich versucht gewesen anzunehmen,<br />

daß an meiner «christlichen» Auffassung etwas Wesentliches<br />

fehle, mit anderen Worten, daß mein traditionelles Bild irgendwie<br />

ungenügend sei und ich deshalb noch ein Stück christlicher<br />

214<br />

12 «Das Wandlungssymbol in der Messe», 1942, in Ges. Werke XI, 2. Aufl. 1973.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!