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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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mung ausgedrückt. Wie sein tragisches Ende zeigt, war jedoch seine Ansicht<br />

<strong>von</strong> keiner Einsicht gefolgt 8 . Silberer h<strong>at</strong>te hauptsächlich spätes M<strong>at</strong>erial<br />

benutzt, mit dem ich nicht viel anfangen konnte. Die späten alchemistischen<br />

Texte sind phantastisch und barock;<br />

nur wenn man die Deutung weiß, erkennt man, daß auch in ihnen viel<br />

Wertvolles steckt.<br />

Erst durch den Text der «Goldenen Blüte», der zur Chinesischen Alchemie<br />

gehört, und den ich 1928 <strong>von</strong> Richard Wilhelm erhalten h<strong>at</strong>te, ist mir das<br />

Wesen der Alchemie näher gekommen. Damals entstand in mir der Wunsch,<br />

die Alchemisten kennen zu lernen. Ich beauftragte einen Münchner<br />

Buchhändler, mich darauf aufmerksam zu machen, falls alchemistische<br />

Bücher in seine Hände gelangen sollten. Bald darauf erhielt ich als erstes die<br />

«Artis Auri-ferae Volumina Duo» (1593), eine umfangreiche Sammlung<br />

l<strong>at</strong>einischer Trakt<strong>at</strong>e, unter denen sich eine Reihe <strong>von</strong> «Klassikern» befinden.<br />

Dieses Buch blieb aber erst einmal beinahe zwei Jahre liegen.<br />

Gelegentlich schaute ich die Bilder an, und jedesmal dachte ich bei mir:<br />

Herrgott, was für ein Unsinn! Man kann das ja gar nicht verstehen. - Aber es<br />

ließ mich nicht los, und ich nahm mir vor, das Werk gründlich zu studieren.<br />

Im nächsten Winter fing ich damit an, und bald fand ich die Lektüre<br />

faszinierend und aufregend. Der Text erschien mir zwar immer wieder als ein<br />

ekl<strong>at</strong>anter Unsinn, doch stieß ich häufig auf Stellen, die mir bedeutsam<br />

vorkamen, und gelegentlich fand ich sogar ein paar Sätze, die ich zu<br />

verstehen glaubte. Schließlich erkannte ich, daß es sich um Symbole<br />

handelte, die mir alte Bekannte waren. Das ist ja phantastisch, dachte ich, das<br />

muß ich verstehen lernen. - Ich war nun ganz da<strong>von</strong> gefesselt und vertiefte<br />

mich in die Bände, sooft es mir die Zeit erlaubte. Eines Nachts, als ich wieder<br />

die Texte studierte, fiel mir plötzlich der Traum ein, in welchem es hieß, daß<br />

ich «im 17. Jahrhundert gefangen war». Endlich verstand ich seinen Sinn und<br />

wußte: «Ja, das ist es! Jetzt bin ich verdammt, die ganze Alchemie <strong>von</strong><br />

Anfang an zu studieren!»<br />

Ich brauchte noch lange, um den Faden im Labyrinth der alchemistischen<br />

<strong>Gedanken</strong>gänge zu finden, denn keine Ariadne h<strong>at</strong>te ihn mir in die Hand<br />

gedrückt. Im «Rosarium» bemerkte ich, daß gewisse seltsame Ausdrücke und<br />

Wendungen sich häufig wieder-<br />

' Silberer starb durch Suizid.<br />

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