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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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päer auch nicht, aber ein wenig komplizierter sind wir doch. Jedenfalls<br />

verfügen wir über ein gewisses Maß an Willen und überlegter Absicht. Eher<br />

gebricht es uns an Intensität des Lebens.<br />

Ich wünschte mir nicht zu tauschen, aber ich war psychisch infiziert, was<br />

sich äußerlich durch eine infektiöse Enteritis manifestierte, die ich nach<br />

einigen Tagen in landesüblicher Weise mit Reiswasser und Calomel kurierte.<br />

Übervoll <strong>von</strong> Eindrücken und <strong>Gedanken</strong> reiste ich damals nach Tunis<br />

zurück, und in der Nacht vor unserer Einschiffung nach Marseiile h<strong>at</strong>te ich<br />

einen Traum, der nach meinem Gefühl einen Schlußstrich unter die<br />

Rechnung zog. Es gehörte sich so; denn ich h<strong>at</strong>te mich daran gewöhnt,<br />

immer zugleich auf zwei Ebenen zu leben, einer bewu ßten, die verstehen<br />

wollte und nicht konnte, und einer unbewußten, die es ausdrücken wollte und<br />

es nicht besser sagen konnte als in Form eines Traumes.<br />

Ich träumte, ich sei in einer arabischen Stadt, und wie in den meisten<br />

arabischen Städten befand sich auch hier eine Zitadelle, die Kasba. Die Stadt<br />

lag in einer weiten Ebene, und eine Mauer zog sich um sie herum. Ihr<br />

Grundriß war viereckig, und es gab vier Tore.<br />

Die Kasba im Inneren der Stadt war - was in jenen Gegenden jedoch nicht<br />

der Fall ist - umgeben <strong>von</strong> einem breiten Wassergraben. Ich stand vor einer<br />

Holzbrücke, die übers Wasser zu einem der hufeisenförmigen dunkeln Tore<br />

führte. Es stand offen. Begierig, die Zitadelle auch <strong>von</strong> innen zu sehen,<br />

beschritt ich die Brücke. Als ich mich etwa in der Mitte befand, kam mir aus<br />

dem Tor ein schöner dunkler Araber <strong>von</strong> eleganter, fast königlicher Gestalt<br />

entgegen, ein Jüngling in weißem Burnus. Ich wußte, daß er der dort<br />

residierende Fürst war. Wie er mir gegenüber stand, griff er mich an und<br />

wollte mich zu Boden schlagen. Wir kämpften und rangen miteinander. Im<br />

Kampf prallten wir gegen das Geländer; es gab nach und wir fielen beide in<br />

den Graben, wo er versuchte, meinen Kopf unters Wasser zu drücken, um<br />

mich zu ertränken. Nein, dachte ich, das geht zu weit - und drückte nun<br />

meinerseits seinen Kopf unters Wasser. Ich t<strong>at</strong> das, obwohl ich eine große<br />

Bewunderung für ihn empfand, aber ich wollte mich nicht umbringen lassen.<br />

Ich wollte ihn nicht töten, sondern bloß bewußtlos und kampfunfähig<br />

machen.<br />

Dann wechselte die Szene des Traumes, und er befand sich mit<br />

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