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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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Der Mensch muß sich darüber ausweisen können, daß er sein möglichstes<br />

getan h<strong>at</strong>, sich eine Auffassung über das Leben nach dem Tode zu bilden,<br />

oder sich ein Bild zu machen - und sei es mit dem Eingeständnis seiner<br />

Ohnmacht. Wer das nicht tut, h<strong>at</strong> etwas verloren. Denn was als Fragendes an<br />

ihn herantritt, ist uraltes Erbgut der Menschheit, ein Archetypus, reich an<br />

geheimem Leben, das sich dem unsrigen hinzufügen möchte, um es ganz zu<br />

machen. Die Vernunft steckt uns viel zu enge Grenzen und fordert uns auf,<br />

nur das Bekannte - und auch dies mit Einschränkungen - in bekanntem<br />

Rahmen zu leben, so als ob man die wirkliche Ausdehnung des Lebens<br />

kennte! T<strong>at</strong>sächlich leben wir Tag für Tag weit über die Grenzen unseres<br />

Bewußtseins hinaus; ohne unser Wissen lebt das Unbewußte mit. Je mehr die<br />

kritische Vernunft vorwaltet, desto ärmer wird das Leben; aber je mehr<br />

Unbewußtes, je mehr Mythus wir bewußt zu machen vermögen, desto mehr<br />

Leben integrieren wir. Die überschätzte Vernunft h<strong>at</strong> das mit dem absoluten<br />

Sta<strong>at</strong> gemein: unter ihrer Herrschaft verelendet der Einzelne.<br />

Das Unbewußte gibt uns eine Chance, indem es uns etwas mitteilt oder<br />

bildhafte Andeutungen macht. Es ist imstande, uns gelegentlich Dinge<br />

mitzuteilen, die wir aller Logik nach nicht wissen können. Denken Sie an<br />

synchronistische Phänomene, an Wahrträume und Vorahnungen!<br />

Einmal fuhr ich <strong>von</strong> Bollingen nach Hause. Es war in der Zeit des Zweiten<br />

Weltkrieges. Ich h<strong>at</strong>te ein Buch bei mir, aber ich konnte nicht lesen, denn im<br />

Augenblick, als sich der Zug in Bewegung setzte, h<strong>at</strong>te mich das Bild eines<br />

Ertrinkenden überfallen. Es war die Erinnerung an einen Unglücksfall im<br />

Militärdienst. Während der ganzen Fahrt kam ich nicht da<strong>von</strong> los. Das war<br />

mir unheimlich, und ich dachte: Was ist denn geschehen? Ist etwa ein<br />

Unglück passiert?<br />

In Erlenbach stieg ich aus und ging heim, immer noch mit dieser<br />

Erinnerung und meinen Sorgen beschäftigt. Im Garten standen die Kinder<br />

meiner zweiten Tochter herum. Sie wohnte mit ihrer Familie bei uns,<br />

nachdem sie wegen des Krieges aus Paris in die Schweiz zurückgekehrt war.<br />

Alle schauten etwas dumm drein, und als ich fragte: «Was ist denn los?»<br />

erzählten sie's: Adrian, damals der Kleinste, sei im Bootshaus ins Wasser<br />

gefallen. Es ist dort schon recht tief, und da er noch nicht schwimmen konnte,<br />

wäre er beinahe ertrunken. Der ältere Bruder habe ihm dann herausgeholfen.<br />

Dies spielte sich genau zu der Zeit ab, als ich im Zug <strong>von</strong><br />

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