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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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«Es gibt auch geistige Gurus», fügte er bei. «Die meisten haben lebende<br />

Menschen als Gurus. Es gibt aber immer wieder solche, welche einen Geist<br />

zum Lehrer haben.»<br />

Diese Nachricht war mir ebenso tröstlich wie erleuchtend. Ich war also<br />

keineswegs aus der Menschenwelt herausgefallen, sondern h<strong>at</strong>te nur das<br />

erfahren, was Menschen, die ähnlicher Bemühung obliegen, begegnen kann.<br />

Später wurde Philemon rel<strong>at</strong>iviert durch das Heraufkommen einer anderen<br />

Gestalt, die ich als Ka bezeichnete. Im alten Ägypten galt der «Ka des<br />

Königs» als dessen irdische Form, als Gestaltseele. In meiner Phantasie kam<br />

die Ka-Seele <strong>von</strong> unten aus der Erde wie aus einem tiefen Schacht. Ich malte<br />

sie in ihrer erdhaften Gestalt, als eine Herme, deren Sockel aus Stein und<br />

deren Oberteil aus Bronze besteht. Ganz oben im Bild erscheint ein Flügel des<br />

Eisvogels, und zwischen ihm und dem Kopf des Ka schwebt ein runder,<br />

leuchtender Sternnebel. Der Ausdruck des Ka h<strong>at</strong> etwas Dämonisches, man<br />

könnte auch sagen: Mephistophelisches. In der einen Hand hält er ein<br />

Gebilde, ähnlich einer farbigen Pagode oder einem Reliquienschrein und in<br />

der anderen einen Stylus, mit dem er daran arbeitet. Er sagt <strong>von</strong> sich: «Ich bin<br />

der, der die Götter in Gold und Edelsteinen begräbt.»<br />

Philemon h<strong>at</strong> einen lahmen Fuß, ist aber ein geflügelter Geist, während Ka<br />

eine Art Erd - oder Metalldämon darstellt. Philemon ist der geistige Aspekt,<br />

«der Sinn», Ka dagegen ein N<strong>at</strong>urgeist wie das Anthroparion der griechischen<br />

Alchemie, die mir damals allerdings noch nicht bekannt war'. Ka ist<br />

derjenige, der alles wirklich macht, der aber den Eisvogelgeist, den Sinn,<br />

verschleiert oder ihn durch Schönheit, den «ewigen Abglanz», ersetzt.<br />

Mit der Zeit konnte ich beide Gestalten integrieren. Das Studium der<br />

Alchemie half mir dabei.<br />

Während ich an den Phantasien schrieb, fragte ich mich einmal:<br />

«Was tue ich eigentlich? Bestimmt h<strong>at</strong> es mit Wissenschaft nichts zu tun.<br />

Also was ist es dann?» Da sagte eine Stimme in mir: «Es ist Kunst.» Ich war<br />

höchst erstaunt, denn es wäre mir nicht in den Sinn gekommen, daß meine<br />

Phantasien etwas mit Kunst zu tun<br />

* Anthroparion ist ein «Menschlein», eine Art Homunculus. In die Gruppe der<br />

Anthroparien gehören die Erzmännchen, die Daktylen der Antike, der Homunculus der<br />

Alchemisten. Auch der alchemistische Mercurius war,als Geist des Quecksilbers, ein<br />

Anthroparion. A. J.<br />

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