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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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zwanzig Studenten da, denen ich eine Hypnose demonstrieren wollte!<br />

Als ich die P<strong>at</strong>ientin nach einer halben Stunde wieder wecken wollte,<br />

wachte sie nicht auf. Es wurd e mir unheimlich, und der Gedanke befiel mich,<br />

ich könnte am Ende an eine l<strong>at</strong>ente Psychose gerührt haben. Etwa zehn<br />

Minuten vergingen, bis es mir gelang, sie wieder aufzuwecken. Dabei durfte<br />

ich mir vor den Studenten nichts <strong>von</strong> meiner Angst anmerken lassen! Als die<br />

Frau zu sich kam, war sie schwindlig und konfus. Ich versuchte sie zu beruhigen:<br />

«Ich bin der Arzt, und alles ist in Ordnung.» Worauf sie rief:<br />

«Aber ich bin ja geheilt!», die Krücken fortwarf und gehen konnte. Ich bekam<br />

einen roten Kopf und sagte zu den Studenten:<br />

«Jetzt haben Sie gesehen, was man mit Hypnose erreichen kann.» Ich h<strong>at</strong>te<br />

aber nicht die geringste Ahnung, was vor sich gegangen war.<br />

Das war eine der Erfahrungen, die mich veranlaßten, die Hypnose<br />

aufzugeben. Ich verstand nicht, was eigentlich geschehen war, aber die Frau<br />

war t<strong>at</strong>sächlich geheilt und ging beglückt <strong>von</strong> dan-nen. Ich b<strong>at</strong> sie, mir <strong>von</strong><br />

sich zu berichten, denn ich rechnete mit einem Rückfall spätestens nach<br />

vierundzwanzig Stunden. Aber die Schmerzen kehrten nicht zurück, und ich<br />

mußte trotz meiner Skepsis die T<strong>at</strong>sache ihrer Heilung hinnehmen.<br />

Bei der ersten Vorlesung im Sommersemester des nächsten Jahres erschien<br />

sie wieder. Diesmal klagte sie über heftige Rückenschmerzen, die sich erst<br />

vor kurzem eingestellt h<strong>at</strong>ten. Ich hielt es nicht für ausgeschlossen, daß sie<br />

mit dem Wiederbeginn meiner Vorlesungen zusammenhingen. Vielleicht<br />

h<strong>at</strong>te sie die Ankündigung meiner Vorlesung in der Zeitung gelesen. Ich<br />

fragte, wann der Schmerz angefangen und was ihn verursacht habe. Sie<br />

konnte sich aber nicht erinnern, daß irgend etwas zu einer bestimmten Zeit<br />

vorgefallen sei und wußte einfach keine Erklärung. Schließlich brachte ich<br />

aus ihr heraus, daß die Schmerzen t<strong>at</strong>sächlich an dem Tag und zu der Stunde<br />

eingesetzt h<strong>at</strong>ten, als ihr die Ankündigung meiner Vorlesung in der Zeitung<br />

zu Gesicht gekommen war. Das bestätigte zwar meine Vermutung, aber ich<br />

begriff noch immer nicht, was die mirakulöse Heilung bewirkt haben konnte.<br />

Ich hypnotisierte sie wieder, d. h. sie fiel, wie damals, spontan in Trance und<br />

war nachher <strong>von</strong> ihrem Schmerz befreit.<br />

Nach der Vorlesung behielt ich sie zurück, um Einzelheiten aus ihrem<br />

Leben zu erfahren. Dabei stellte sich heraus, daß sie einen schwachsinnigen<br />

Sohn h<strong>at</strong>te, der sich in der Klinik auf meiner Ab-<br />

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