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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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Das ist alles nur elendes Gestammel, ich weiß nicht, was Afrika mir<br />

eigentlich sagt, aber es spricht. Denke Dir eine gewaltige Sonne, eine Luft<br />

klar wie auf höchsten Bergen, ein Meer blauer als was Du je gesehen, alle<br />

Farben <strong>von</strong> unerhörter Kraft, auf den Märkten kaufst Du noch die Amphoren<br />

des Altertums, so etwas -und der Mond!!!...<br />

Aus einem Brief an einen jungen Gelehrten 4 (1952)<br />

... Ich definiere mich selbst als Empiriker, denn ich muß doch etwas<br />

Anständiges sein. Oft wirft man mir vor, ich sei ein schlechter Philosoph, und<br />

ich mag selbstverständlich nicht gerne etwas Minderwertiges sein. Als<br />

Empiriker habe ich wenigstens etwas geleistet. Man wird einem guten<br />

Schuhmacher, der sich für einen solchen hält, doch nicht auf den Grabstein<br />

schreiben, er sei ein schlechter Hutmacher gewesen, weil er einmal einen<br />

untauglichen Hut gemacht h<strong>at</strong>.<br />

Die Sprache, welche ich spreche, muß zweideutig, bzw. doppelsinnig sein,<br />

um der psychischen N<strong>at</strong>ur mit ihrem Doppelaspekt gerecht zu werden. Ich<br />

strebe bewußt und absichtlich nach dem doppelsinnigen Ausdruck, weil er der<br />

Eindeutigkeit überlegen ist und der N<strong>at</strong>ur des Seins entspricht. Ich könnte<br />

meiner ganzen Veranlagung nach sehr gut eindeutig sein. Das ist nicht<br />

schwer, geht aber auf Kosten der Wahrheit. Ich lasse absichtlich alle Ober-<br />

und Untertöne mitklingen, denn sie sind einerseits sowieso vorhanden, andererseits<br />

geben sie ein völligeres Bild der Wirklichkeit. Eindeutigkeit h<strong>at</strong> nur<br />

Sinn bei der T<strong>at</strong>sachenfeststellung, nicht aber bei der Interpret<strong>at</strong>ion, denn<br />

«Sinn» ist keine Tautologie, sondern begreift immer mehr in sich als das<br />

konkrete Objekt der Aussage.<br />

Ich bin - noch spezieller - nur ein Psychi<strong>at</strong>er, denn meine wesentliche<br />

Fragestellung, der mein ganzes Streben gilt, ist die seelische Störung, ihre<br />

Phaenomenologie, Aetiologie und Teleologie. Alles andere spielt bei mir eine<br />

auxiliäre Rolle. Ich fühle mich weder berufen, eine Religion zu stiften, noch<br />

eine solche zu bekennen. Ich betreibe keine Philosophie, sondern denke bloß<br />

im Rah-<br />

4 Nur in der deutschen Ausgabe.<br />

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