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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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Flauheit ein, und ich ertappte das Medium beim Versuch, in betrügerischer<br />

Weise Phänomene zu produzieren. Das bestimmte mich dazu, die Versuche<br />

abzubrechen - sehr zu meinem Bedauern, denn ich h<strong>at</strong>te an ihrem Beispiel<br />

gelernt, wie eine Nr. 2 entsteht, wie es in ein kindliches Bewußtsein eintritt<br />

und dieses schließlich in sich integriert. Das Mädchen war eine<br />

«Frühvollendete». Mit sechsundzwanzig Jahren starb sie an Tuberkulose. Ich<br />

habe sie, als sie vierundzwanzig Jahre alt war, noch einmal gesehen und war<br />

nachhaltig beeindruckt <strong>von</strong> der Selbständigkeit und Reife ihrer Persönlichkeit.<br />

Nach ihrem Tode erfuhr ich <strong>von</strong> ihren Angehörigen, daß in den letzten<br />

Mon<strong>at</strong>en ihres Lebens ihr Charakter Stück um Stück <strong>von</strong> ihr abfiel und sie<br />

schließlich in den Zustand eines zweijährigen Kindes zurückkehrte, in<br />

welchem Zustand sie in den letzten Schlaf fiel.<br />

Dies war nun alles in allem die große Erfahrung, welche meine ganz frühe<br />

Philosophie aufhob und mir einen psychologischen Standpunkt ermöglichte.<br />

Ich h<strong>at</strong>te etwas Objektives über die menschliche Seele erfahren. Die<br />

Erfahrung war aber so beschaffen, daß ich wiederum nichts darüber sagen<br />

konnte. Ich wußt e niemanden, dem ich den ganzen Sachverhalt hätte mitteilen<br />

können. Wiederum mußte ich etwas des Nachdenkens Würdiges unerledigt<br />

zur Seite legen. Erst ein paar Jahre später ist daraus meine Dissert<strong>at</strong>ion<br />

entstanden.<br />

In der Medizinischen Klinik h<strong>at</strong>te Friedrich <strong>von</strong> Müller den alten<br />

Immermann abgelöst. In <strong>von</strong> Müller traf ich einen Geist, der mir zusagte. Ich<br />

sah, wie eine scharfe Intelligenz ein Problem erfaßte und jene Fragen<br />

formulierte, die an sich schon eine halbe Lösung darstellten. Er seinerseits<br />

schien auch in mir etwas zu sehen, denn später, gegen den Abschluß meiner<br />

Studien hin, schlug er mir vor, als Assistent mit ihm nach München zu gehen,<br />

wohin er einen Ruf erhalten h<strong>at</strong>te. Seine Aufforderung hätte mich beinahe<br />

bewogen, mich der inneren Medizin zu widmen. Dazu wäre es wahrscheinlich<br />

auch gekommen, wenn sich nicht inzwischen etwas ereignet hätte, das mich<br />

aller Zweifel in bezug auf meine spätere professionelle Laufbahn enthoben<br />

hätte.<br />

Ich h<strong>at</strong>te zwar psychi<strong>at</strong>rische Vorlesungen und Klinik gehört, aber der<br />

damalige Lehrer der Psychi<strong>at</strong>rie war nicht gerade anregend, und wenn ich<br />

mich an die Wirkungen erinnerte, welche die Erfahrungen meines V<strong>at</strong>ers in<br />

der Irrenanstalt und mit der Psycbi-<br />

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