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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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an dem er zerbrochen ist. Zugleich enthält sie den Schlüssel zu seiner<br />

Behandlung. Der Arzt muß nur wissen, wie er sie erfährt. Er muß die Fragen<br />

stellen, die den ganzen Menschen treffen und nicht nur sein Symptom. Die<br />

Explor<strong>at</strong>ion des bewußten M<strong>at</strong>erials genügt in den meisten Fällen nicht. Unter<br />

Umständen kann das Assozi<strong>at</strong>ionsexperiment den Zugang öffnen, auch die<br />

Traumdeutung kann es, oder der .lange und geduldige menschliche Kontakt<br />

mit dem P<strong>at</strong>ienten.<br />

1905 habilitierte ich mich für Psychi<strong>at</strong>rie, und im gleichen Jahr wurde ich<br />

Oberarzt an der Psychi<strong>at</strong>rischen Klinik der Universität Zürich. Diese Stelle<br />

h<strong>at</strong>te ich vier Jahre lang inne. Dann (1909) mußte ich sie aufgeben, weil die<br />

Arbeit mir einfach über den Kopf wuchs. Im Laufe der Jahre war meine<br />

Priv<strong>at</strong>praxis so groß geworden, daß ich mit der Arbeit nicht mehr nachkam.<br />

Die Tätigkeit als Priv<strong>at</strong>dozent behielt ich aber bis zum Jahr 1913 bei. Ich las<br />

über Psychop<strong>at</strong>hologie und n<strong>at</strong>ürlich auch über die Grundlagen der<br />

Freudschen Psychoanalyse, sowie über die Psychologie der Primitiven. Das<br />

waren die Hauptgegenstände. In den ersten Semestern beschäftigte ich mich<br />

in den Vorlesungen vor allem mit Hypnose, sowie mit Janet und Flournoy.<br />

Später rückte das Problem der Freudschen Psychoanalyse in den<br />

Vordergrund.<br />

Auch in den Kursen über Hypnose erkundigte ich mich nach der<br />

persönlichen Geschichte der P<strong>at</strong>ienten, die ich den Studenten vorstellte. Ein<br />

Fall ist mir noch in guter Erinnerung:<br />

Einmal erschien eine ältere Frau, etwa achtundfünfzig Jahre alt,<br />

anscheinend religiös eingestellt. Sie ging an Krücken, geführt <strong>von</strong> ihrer Magd.<br />

Seit siebzehn Jahren litt sie an einer schmerzhaften Lähmung des linken<br />

Beines. Ich setzte sie in einen bequemen Stuhl und fragte sie nach ihrer<br />

Geschichte. Sie fing an zu erzählen und zu jammern, und die ganze<br />

Geschichte ihrer Krankheit kam heraus, mit allem Drum und Dran.<br />

Schließlich unterbrach ich sie und sagte:<br />

«Nun ja, jetzt haben wir keine Zeit mehr, so viel zu reden. Jetzt muß ich Sie<br />

hypnotisieren.» - Kaum h<strong>at</strong>te ich das gesagt, schloß sie die Augen und fiel in<br />

tiefe Trance - ohne jede Hypnose! Ich wunderte mich, ließ sie aber in Ruhe.<br />

Sie redete pausenlos und erzählte die merkwürdigsten <strong>Träume</strong>, welche eine<br />

ziemlich tiefgehende Erfahrung des Unbewußten darstellten. Das verstand ich<br />

jedoch erst viel später. Damals nahm ich an, es sei eine Art Delirium. Aber<br />

die Situ<strong>at</strong>ion wurde mir etwas unbehaglich. Es waren<br />

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