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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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niges, sondern um ein dermaßen intelligentes und gelehrtes Argument, daß<br />

unsere Dummheit einfach nicht folgen konnte. Es ging um etwas sehr<br />

Wichtiges, das ihn faszinierte. Darum sprach er mit solcher Intensität,<br />

übernutet <strong>von</strong> tiefsinnigen <strong>Gedanken</strong>. Ich ärgerte mich und dachte, es sei doch<br />

schade, daß er vor uns drei Dummköpfen reden müsse.<br />

Die beiden Psychi<strong>at</strong>er vertreten einen beschränkten medizinischen<br />

Standpunkt, der mir als Arzt n<strong>at</strong>ürlich auch anhaftet. Sie stellen meinen<br />

Sch<strong>at</strong>ten sozusagen in erster und zweiter Auflage, als V<strong>at</strong>er und Sohn, dar.<br />

Dann änderte sich die Szene: mein V<strong>at</strong>er und ich waren vor dem Hause,<br />

und gegenüber befand sich eine Art Scheune, wo offenbar Holzvorräte<br />

aufgestapelt waren. Dort hörte man lautes Poltern, wie wenn große<br />

Holzstücke herunter- oder herumgeworfen würden. Ich h<strong>at</strong>te den Eindruck,<br />

als ob mindestens zwei Arbeiter am Werke seien, aber mein V<strong>at</strong>er bedeutete<br />

mir, daß es dort spuke. Es waren also eine Art Poltergeister, die den Lärm<br />

vollführten.<br />

Dann gingen wir ins Haus hinein, und ich sah, daß es sehr dicke Mauern<br />

h<strong>at</strong>te. Wir stiegen eine schmale Treppe hinauf in den ersten Stock. Dort bot<br />

sich uns ein seltsamer Anblick: eine Halle, die das genaue Abbild des Diwäni-kaas<br />

(R<strong>at</strong>shalle) des Sultan Ak-bar in F<strong>at</strong>ehpur-Sikri darstellte. Es war ein<br />

hoher runder Raum mit einer Galerie der Wand entlang, <strong>von</strong> welcher vier<br />

Brücken zu dem wie ein Becken gestalteten Zentrum führten. Das Becken<br />

ruhte auf einer riesigen Säule und bildete den Rundsitz des Sultans. Von dort<br />

sprach er zu seinen Räten und Philosophen, die auf der Galerie den Wänden<br />

entlang saßen. Das Ganze war ein riesiges Mandala. Es entsprach genau dem<br />

Diwän-i-kaas, den ich in Indien gesehen h<strong>at</strong>te.<br />

Im Traum sah ich plötzlich, daß vom Zentrum aus eine steile Treppe hoch<br />

an die Wand hinaufführte - das entsprach nicht mehr der Wirklichkeit. Oben<br />

war eine kleine Türe, und mein V<strong>at</strong>er sagte: «Nun werde ich dich in die<br />

höchste Gegenwart führen!» Es war mir, als ob er sagte: «highest presence».<br />

Dann kniete er nieder und berührte mit der Stirn den Boden, und ich machte<br />

es ihm nach und kniete ebenfalls nieder in großer Bewegung. Aus<br />

irgendeinem Grunde konnte ich die Stirn nicht ganz auf den Boden bringen.<br />

Es blieb vielleicht ein Millimeter zwischen Stirn und Boden. Aber ich h<strong>at</strong>te<br />

die Geste mitgemacht, und plötzlich wußte ich, vielleicht durch meinen V<strong>at</strong>er,<br />

daß hinter der Tür, oben in einem einsamen Gemach, Urias wohnte, der<br />

Feldherr König Davids. Dieser h<strong>at</strong>te<br />

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