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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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Ich habe später, als ich achtzehn Jahre alt war, viele Diskussionen mit<br />

meinem V<strong>at</strong>er gehabt, immer mit der heimlichen Hoffnung, ihn etwas <strong>von</strong> der<br />

wunderwirkenden Gnade wissen zu lassen und ihm dadurch in seinen<br />

Gewissensnöten zu helfen. Ich war überzeugt, daß, wenn er den Willen Gottes<br />

erfüllte, sich alles zum Besten wenden würde. Unsere Diskussionen h<strong>at</strong>ten<br />

aber immer ein unbefriedigendes Ende. Sie reizten und betrübten ihn. «Ach<br />

was», pflegte er zu sagen, «du willst immer denken. Man soll nicht denken,<br />

sondern glauben.» - Ich dachte: Nein, man muß erfahren und wissen - sagte<br />

aber: «Gib mir diesen Glauben», worauf er sich jeweils achselzuckend und<br />

resigniert abwandte.<br />

Ich begann Freundschaften zu schließen, meistens mit scheuen <strong>Jung</strong>en<br />

einfacher Herkunft. Meine Schulzeugnisse verbesserten sich. In den<br />

folgenden Jahren brachte ich es sogar zum Klassenersten. Ich bemerkte aber,<br />

daß unter mir welche waren, die mich beneideten und mich bei jeder<br />

Gelegenheit überholen wollten. Das verdarb mir die Laune. Mir waren alle<br />

Wettbewerbe verhaßt, und wenn einer aus dem Spiel eine Konkurrenz<br />

machte, kehrte ich dem Spiel den Rücken. Ich blieb <strong>von</strong> da an Zweiter, was<br />

mir bedeutend angenehmer war. Die<br />

Schularbeit war mir lästig genug, so daß ich sie mir nicht noch durch<br />

Konkurrenzstreberei erschweren wollte. Einige wenige Lehrer, derer ich mit<br />

Dankbarkeit gedenke, schenkten mir ein besonderes Zutrauen. Vor allem war<br />

es der L<strong>at</strong>einlehrer, an den ich gern zurückdenke. Er war Universitätspro -<br />

fessor und ein sehr gescheiter Mann. Nun kannte ich L<strong>at</strong>ein schon seit<br />

meinem sechsten Lebensjahr, weil mein V<strong>at</strong>er mich darin unterrichtet h<strong>at</strong>te.<br />

So h<strong>at</strong> mich dieser Lehrer öfters auf die Universitätsbibliothek geschickt, um<br />

ihm während der Exerzitien Bücher zu holen, die ich dann auf dem möglichst<br />

verlängerten Rückweg mit Entzücken durchschnüffelte.<br />

Den meisten Lehrern galt ich für dumm und verschlagen. Wenn irgend<br />

etwas in der Schule schief ging, so wurde in erster Linie ich verdächtigt. Gab<br />

es irgendwo eine Keilere i, so wurde vermutet, daß ich der Anstifter gewesen<br />

sei. In Wirklichkeit war ich nur einmal in eine Keilerei verwickelt, bei der ich<br />

entdeckte, daß ich eine Anzahl Kameraden h<strong>at</strong>te, die mir feindlich gesinnt<br />

waren. Sie legten mir einen Hinterhalt - es waren ihrer sieben - und fielen<br />

mich unvermutet an. Damals, mit fünfzehn Jahren, war ich schon stark und<br />

groß und war zu Jähzorn geneigt. Ich sah plötzlich Feuer, packte einen an<br />

beiden Armen, schwang ihn um mich und schlug<br />

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