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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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keit selber wäre, während man doch ihre Nichtigkeit deutlich erkannt h<strong>at</strong>te.<br />

Im Grunde genommen bin ich seither, trotz revalori-sierten Weltglaubens, nie<br />

mehr ganz vom Eindruck losgekommen, daß das «Leben» ein<br />

Existenzausschnitt sei, welcher sich in einem hiefür bereitgestellten<br />

dreidimensionalen Weltsystem abspielt.<br />

An etwas erinnere ich mich noch genau. Am Anfang, zur Zeit der Vision<br />

vom Gran<strong>at</strong>apfelgarten, b<strong>at</strong> ich die Schwester, sie möge entschuldigen, wenn<br />

sie beschädigt werden sollte; es sei eine große Heiligkeit im Raum. Das sei<br />

gefährlich und könne ihr schädlich sein. Sie verstand mich n<strong>at</strong>ürlich nicht. Für<br />

mich war die Praesenz des Heiligen eine zauberhafte Atmosphäre, aber ich<br />

fürchtete, daß sie für andere unerträglich sei. Darum entschuldigte ich mich,<br />

ich könne ja nichts dafür. Damals verstand ich, warum man vom raumerfüllenden<br />

«Geruch» des Heiligen Geistes spricht. Das war's. Es war ein<br />

Pneuma im Raum <strong>von</strong> unaussprechlicher Heiligkeit, deren Verdeutlichung<br />

das Mysterium Coniunctionis war.<br />

Ich hätte nie gedacht, daß man so etwas erleben könnte, daß eine<br />

immerwährende Seligkeit überhaupt möglich sei. Die Visionen und<br />

Erlebnisse waren vollkommen real; nichts war anempfunden, sondern alles<br />

war <strong>von</strong> letzter Objektivität.<br />

Man scheut sich vor dem Ausdruck «ewig», aber ich kann das Erleben nur<br />

als Seligkeit eines nicht-zeitlichen Zustandes umschreiben, in welchem<br />

Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft eines sind. Alles, was in der Zeit<br />

geschieht, war dort in eine objektive Ganzheit zusammengefaßt. Nichts war<br />

mehr in der Zeit auseinandergelegt oder konnte nach zeitlichen Begriffen<br />

gemessen werden. Das Erleben könnte am ehesten als ein Zustand<br />

umschrieben werden - als ein Gefühlszustand, den man jedoch nicht<br />

imaginieren kann. Wie kann ich mir vorstellen, daß ich gleichzeitig wie<br />

vorgestern, heute und übermorgen bin ? Dann hätte etwas noch nicht begonnen,<br />

etwas anderes wäre klarste Gegenwart, und wieder etwas wäre schon<br />

beendet - und doch wäre alles Eines. Das einzige, was das Gefühl erfassen<br />

könnte, wäre eine Summe, eine schillernde Ganzheit, in der die Erwartung für<br />

das Beginnende ebenso enthalten ist wie Überraschung über das eben<br />

Geschehende und Befriedigung oder Enttäuschung über das Result<strong>at</strong> des<br />

Vergangenen. Ein unbeschreibliches Ganzes, in das man mit verwoben ist;<br />

und doch nimmt man es mit völliger Objektivität wahr.<br />

Das Erlebnis dieser Objektivität h<strong>at</strong>te ich später noch einmal. Es<br />

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