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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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nicht wirklich lieben, eifersüchtig sind und seine Freundschaften zerstören.<br />

Sie wollen, daß er ihnen ganz gehört, weil nämlich sie selber ihm nicht<br />

gehören. Der Kern jeder Eifersucht is t ein Mangel an Liebe.<br />

Die Einstellung der Frau bedeutete für den P<strong>at</strong>ienten eine ungewohnte<br />

Belastung, welcher er nicht gewachsen war. Ein Jahr nach der Hochzeit geriet<br />

er unter diesem Druck wieder in eine Depression. Ich h<strong>at</strong>te mit ihm<br />

abgemacht - in Voraussicht dieser Möglichkeit - daß er sich sofort melde,<br />

wenn er ein Absinken seiner Stimmung bemerke. Das h<strong>at</strong> er aber unterlassen,<br />

nicht ohne das Zutun seiner Frau, welche seine Verstimmung bag<strong>at</strong>ellisierte.<br />

Er ließ nichts <strong>von</strong> sich hören.<br />

Zu jener Zeit mu ßte ich einen Vortrag in B. halten. Etwa um Mittemacht<br />

kam ich ins Hotel - ich h<strong>at</strong>te nach dem Vortrag noch mit ein paar Freunden<br />

zusammengesessen - und ging sogleich zu<br />

Bett. Ich lag aber noch lange wach. Etwa gegen zwei Uhr - ich muß gerade<br />

eingeschlafen sein - erwachte ich mit Schrecken und war überzeugt, daß<br />

jemand in mein Zimmer gekommen sei; es war<br />

mir auch, als ob die Türe hastig geöffnet worden wäre. Ich machte sofort<br />

Licht, aber da war nichts. Ich dachte, jemand hätte sich in der Tür geirrt und<br />

schaute in den Korridor, doch da war Totenstille. «Merkwürdig», dachte ich,<br />

«es ist doch jemand ins Zimmer gekommen!» Dann versuchte ich mich<br />

zurückzuerinnern, und es fiel mir ein, daß ich an einem dumpfen Schmerz<br />

erwacht war, wie wenn etwas an meine Stirn geprallt und dann an der hinteren<br />

Schädelwand angestoßen wäre. - Am anderen Tag erhielt ich ein Telegramm,<br />

daß jener P<strong>at</strong>ient Suizid begangen hätte. Er h<strong>at</strong>te sich erschossen. Später<br />

erfuhr ich, daß die Kugel an der hinteren Schädelwand steckengeblieben war.<br />

Bei diesem Erlebnis handelte es sich um ein echtes synchronistisches<br />

Phänomen, wie es nicht selten im Zusammenhang mit einer archetypischen<br />

Situ<strong>at</strong>ion - hier dem Tod - beobachtet wird. Durch die Rel<strong>at</strong>ivierung <strong>von</strong> Zeit<br />

und Raum im Unbewußten ist es möglich, daß ich etwas wahrgenommen<br />

h<strong>at</strong>te, was sich in Wirklichkeit ganz woanders abspielte. Das kollektive<br />

Unbewußte ist allen gemeinsam, es ist das Fundament dessen, was das<br />

Altertum als «Symp<strong>at</strong>hie aller Dinge» bezeichnet h<strong>at</strong>. In diesem Fall h<strong>at</strong> mein<br />

Unbewußtes um den Zustand meines P<strong>at</strong>ienten gewußt. Ich h<strong>at</strong>te mich schon<br />

den ganzen Abend merkwürdig unruhig und nervös gefühlt, sehr im<br />

Gegens<strong>at</strong>z zu meiner gewohnten Stimmung.<br />

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