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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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auch nicht fähig gewesen, den Traum befriedigend zu deuten. Ich konnte<br />

seinen Sinn nur erahnen und h<strong>at</strong>te noch die größten inneren Widerstände zu<br />

überwinden, bis ich «Antwort auf Hiob» niederschreiben konnte.<br />

Die innere Wurzel zu dieser Schrift lag bereits in «Aion». Dort h<strong>at</strong>te ich<br />

mich mit der Psychologie des Christentums auseinandergesetzt, und Hiob ist<br />

gewissermaßen eine Präfigur<strong>at</strong>ion Christi. Beide sind verbunden durch die<br />

Idee des Leidens. Christus ist der leidende Gottesknecht, und das war auch<br />

Hiob. Bei Christus ist es die Sünde der Welt, welche das Leiden verursacht,<br />

und das Leiden des christlichen Menschen ist dessen allgemeine Antwort. Das<br />

führt unweigerlich zu der Frage: Wer ist an dieser Sünde schuld? Letzten<br />

Endes ist es Gott, der die Welt und ihre Sünde geschaffen h<strong>at</strong> und. der in<br />

Christus das menschliche Schicksal selber erleiden muß.<br />

In «Aion» finden sich Hinweise auf das schwierige Thema der hellen und<br />

dunkeln Seite des Gottesbildes. Ich habe den «Zorn Gottes» angeführt, das<br />

Gebot, Gott zu fürchten, das «Führe uns nicht in Versuchung». Das<br />

ambivalente Gottesbild spielt im biblischen Hiobbuch eine entscheidende<br />

Rolle. Hiob erwartet, daß Gott ihm gewissermaßen beistehe gegen Gott,<br />

wodurch dessen tragische Gegensätzlichkeit zum Ausdruck kommt. Diese<br />

wird zum Hauptthema in «Antwort auf Hiob».<br />

Die äußere Wurzel zu dieser Schrift lag in meiner Umwelt. Viele Fragen<br />

aus dem Publikum und <strong>von</strong> P<strong>at</strong>ienten h<strong>at</strong>ten mich genötigt, mich deutlicher<br />

über die religiösen Probleme des modernen Menschen zu äußern. Ich h<strong>at</strong>te<br />

jahrelang gezögert, weil ich mir wohl bewußt war, was für einen Sturm ich<br />

entfesseln würde. Aber schließlich konnte ich nicht umhin, mich <strong>von</strong> der<br />

Dringlichkeit und Schwierigkeit des Problems ergreifen zu lassen, und sah<br />

mich gezwungen, eine Antwort zu geben. Ich t<strong>at</strong> es in der Form, in der es mir<br />

zugestoßen war, nämlich in der eines Erlebnisses, dessen Emotionen ich nicht<br />

unterdrückte. Diese Form h<strong>at</strong>te ich in einer bestimmten Absicht gewählt. Es<br />

lag mir daran, den Eindruck zu verhindern, daß ich eine «ewige Wahrheit»<br />

verkünden wollte. Meine Schrift sollte nur die Stimme und Frage eines<br />

Einzelnen sein, welche auf die Nachdenklichkeit des Publikums hofft oder sie<br />

erwartet. Es ist mir nie in den Sinn gekommen, daß jemand meinen könnte,<br />

ich wollte eine metaphysische Wahrheit verkünden. Aber das werfen mir die<br />

Theologen vor, weil das theologische Denken<br />

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