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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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tisch oder eine psychische Projektion ist, und ob die Aussage wirklich <strong>von</strong><br />

dem Verstorbenen herrührt oder vielleicht dem im Unbewußten vorhandenen<br />

Wissen entstammt l .<br />

Trotz aller vernünftigen Überlegungen, die gegen eine Sicherheit in diesen<br />

Dingen sprechen, darf man eines nicht vergessen:<br />

es bedeutet für die meisten Menschen sehr viel anzunehmen, daß ihr Leben<br />

eine unbestimmte Kontinuität über die jetzige Existenz hinaus habe. Dann<br />

leben sie vern ünftiger, es geht ihnen besser, und sie sind ruhiger. Man h<strong>at</strong><br />

Jahrhunderte, man h<strong>at</strong> eine unausdenkbare Zeit zu verschwenden! Warum<br />

dann diese sinnlose Hetzerei ?<br />

N<strong>at</strong>ürlich gilt das nicht für jedermann. Es gibt Menschen, die kein<br />

Bedürfnis nach Unsterblichkeit empfinden, und für die es gräßlich ist zu<br />

denken, sie müßten zehntausend Jahre auf einer Wolke sitzen und Harfe<br />

spielen! Auch gibt es nicht wenige, denen das Leben so übel mitgespielt h<strong>at</strong>,<br />

oder die solchen Ekel vor der eigenen Existenz empfinden, daß ihnen ein<br />

absolutes Ende köstlicher erscheint als eine Fortdauer. Aber in der Mehrzahl<br />

der Fälle ist die Frage nach der Immortalität so dringend, so unmittelbar und<br />

auch so unausrottbar, daß man den Versuch wagen muß, sich irgendeine<br />

Auffassung darüber zu bilden. Aber wie könnte das möglich sein?<br />

Meine Hypothese ist, daß wir dazu imstande sind mit Hilfe <strong>von</strong><br />

Andeutungen, die uns das Unbewußte schickt, z. B. in <strong>Träume</strong>n. Meist<br />

sträuben wir uns, die Hinweise des Unbewußten ernst zu nehmen, weil wir<br />

<strong>von</strong> der Unbeantwortbarkeit der Frage überzeugt sind. Dieser verständlichen<br />

Skepsis halte ich folgende Überlegungen entgegen: Wenn wir etwas nicht<br />

wissen können, müssen wir es als ein intellektuelles Problem aufgeben. Ich<br />

weiß nicht, aus welchem Grund das Weltall entstanden ist, und werde es nie<br />

wissen. So muß ich diese Frage als wissenschaftliches oder intellektuelles<br />

Problem fallen lassen. Aber wenn sich mir darüber eine Idee darbietet - z. B.<br />

aus <strong>Träume</strong>n oder mythischen Überlieferungen -so will ich sie mir anmerken.<br />

Ich muß sogar wagen, mir daraus eine Auffassung zu bilden, auch wenn sie<br />

auf immer eine Hypothese bleibt, und ich weiß, daß sie nicht bewiesen<br />

werden kann.<br />

1 Über das «absolute Wissen» im Unbewußten vgl. C. G. <strong>Jung</strong> «Syn-chronizität als<br />

ein Prinzip akausaler Zusammenhänge», in Ges. Werke VIII. 1967.<br />

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