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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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chen tust, als ob du Freud nicht kenntest, so ist das ein Betrug. Man kann sein<br />

Leben nicht auf eine Lüge stellen.» - Damit war der Fall erledigt. Von da an<br />

nahm ich offen für Freud Partei und kämpfte für ihn.<br />

Die ersten Lanzen brach ich für ihn, als auf einem Kongreß in München<br />

über Zwangsneurosen referiert, sein Name aber geflissentlich verschwiegen<br />

wurde. 1906 schrieb ich im Anschluß daran einen Aufs<strong>at</strong>z für die «Münchner<br />

Medizinische Wochenschrift» über die Freudsche Neurosenlehre, die so<br />

Wesentliches zum Verständnis der Zwangsneurosen beigetragen h<strong>at</strong>te'. Auf<br />

diesen Artikel hin schrieben mir zwei deutsche Professoren Warnungsbriefe:<br />

wenn ich auf der Seite Freuds bliebe und fortführe, ihn zu verteidigen, sei<br />

meine akademische Zukunft gefährdet. Ich antwortete:<br />

«Wenn das, was Freud sagt, die Wahrheit ist, dann bin ich dabei. Ich pfeife<br />

auf eine Karriere, wenn sie voraussetze daß man die Forschung beschneidet<br />

und die Wahrheit verschweigt» Und ich fuhr fort, für Freud und seine<br />

<strong>Gedanken</strong> einzutreten. Nur vermochte ich auf Grund eigener Erfahrungen<br />

immer noch nicht zuzugeben, daß alle Neurosen durch sexuelle Verdrängung<br />

oder sexuelle Traum<strong>at</strong>a verursacht seien. Für gewisse Fälle traf das zu, für<br />

andere aber nicht. Immerhin h<strong>at</strong>te Freud einen neuen Forschungsweg<br />

aufgetan, und die damalige Empörung gegen ihn schien mir absurd. *<br />

Ich h<strong>at</strong>te nicht viel Verständnis für die in «Die Psychologie der Dementia<br />

praecox» ausgedrückten Ideen gefunden, und meine Kollegen lachten mich<br />

aus. Aber durch diese Arbeit kam ich zu Freud. Er lud mich zu sich ein, und<br />

im Februar 1907 fand unsere erste Begegnung in Wien st<strong>at</strong>t. Wir trafen uns<br />

um ein Uhr mittags, und dreizehn Stunden lang sprachen wir sozusagen<br />

pausenlos. Freud war der erste wirklich bedeutende Mann, dem ich begegnete.<br />

Kein anderer Mensch in meiner damaligen Erfahrung konnte sich mit<br />

ihm messen. In seiner Einstellung gab es nichts Triviales.<br />

8<br />

«Die Hysterielehre Freuds, eine Erwiderung auf die Aschaffenburg-sche Kritik»,<br />

Ges. Werke, IV, 1969.<br />

4<br />

Nachdem <strong>Jung</strong> (1906) seine Arbeit über die «Diagnostischen Assozi<strong>at</strong>ionsstudien»<br />

Freud zugesandt h<strong>at</strong>te, setzte die Korrespondenz zwischen den beiden Forschern ein.<br />

Der Briefwechsel wurde bis zum Jahre 1913 weitergeführt. 1907 h<strong>at</strong>te <strong>Jung</strong> auch seine<br />

Schrift «Die Psychologie der Dementia praecox» an Freud gesandt. A. J.<br />

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