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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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Gleichzeitig beschäftigte ich mich mit den Vorarbeiten zum Typenbuch 8 .<br />

Eine wichtige Rolle spielte bei seiner Entstehung die Frage: Wie unterscheide<br />

ich mich <strong>von</strong> Freud und wie <strong>von</strong> Adler? Welches sind die Unterschiede<br />

unserer Auffassungen ? Als ich darüber nachdachte, stieß ich auf das<br />

Typenproblem; denn es ist der Typus, der <strong>von</strong> vornherein das Urteil des<br />

Menschen bestimmt und beschränkt. Das Typenbuch behandelt vor allem die<br />

Auseinandersetzung des Individuums mit der Welt, seinen Bezug zu<br />

Menschen und Dingen. Es legt die verschiedenen Aspekte des Bewußtseins,<br />

die Möglichkeiten seiner Einstellung zur Welt dar und ist somit eine<br />

Darstellung der Psychologie des Bewußtseins, unter einem sozusagen<br />

klinischen Gesichtswinkel betrachtet. Ich habe viel Liter<strong>at</strong>ur<br />

hineinverarbeitet, wobei das Werk <strong>von</strong> Spitteler, insbesondere «Prometheus<br />

und Epimetheus», dann aber auch Schiller, Nietzsche und die antike und<br />

mittelalterliche Geistesgeschichte eine Rolle spielten. Als ich es wagte,<br />

Spitteler ein Exemplar meines Buches zu senden, h<strong>at</strong> er mir nicht geantwortet,<br />

aber kurz darauf einen Vortrag gehalten, in dem er versicherte, seine Werke<br />

«bedeuteten» nichts; er hätte z. B. anstelle des «Olympischen Frühlings»<br />

ebensogut singen können «der Mai ist gekommen» !<br />

Das Typenbuch brachte die Erkenntnis, daß jedes Urteil eines Menschen<br />

durch seinen Typus beschränkt und jede Betrachtungsweise eine rel<strong>at</strong>ive ist.<br />

Damit erhob sich die Frage nach der Einheit, die diese Vielheit kompensiert.<br />

Sie führte mich unmittelbar zum chinesischen Begriff des Tao. Von dem<br />

Zusammenspiel meiner inneren Entwicklung mit der Übersendung eines<br />

taoistischen Textes durch Richard Wilhelm habe ich bereits erzählt. 1929<br />

entstand das mit ihm gemeinsam herausgegebene Buch «Das Geheimnis der<br />

Goldenen Blüte». Damals erreichte ich in meinem Nachdenken und meinen<br />

Forschungen den zentralen Punkt meiner Psychologie, nämlich die Idee des<br />

Selbst. Erst danach fand ich meinen Weg zurück in die Welt. Ich begann<br />

Vorträge zu halten und machte verschiedene kleinere Reisen. Zahlreiche<br />

Einzelaufsätze und Vorträge bildeten gewissermaßen das Gegengewicht zu<br />

der jahrelangen inneren Präokkup<strong>at</strong>ion; sie enthielten Antworten auf Fragen,<br />

die mir <strong>von</strong> meinen Lesern und meinen P<strong>at</strong>ienten gestellt worden waren'.<br />

8 «Psychologische Typen», 1921, in Ges. Werke VI, 2. Aufl. 1971.<br />

9 Die Aufsätze sind enthalten in Ges. Werke X, 1974 und Ges. Werke XVI, 2. Aufl.<br />

1976.<br />

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