30.12.2012 Aufrufe

Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

meinen Kameraden wogen mir schwerer, denn sie drohten mich wieder in<br />

meine frühere Isolierung und Depression zurückzuwerfen. Ich zerbrach mir<br />

den Kopf darüber, wodurch ich solche Verleumdungen verschuldet haben<br />

könnte. Durch vorsichtige Erkundigungen erfuhr ich, daß man mir mißtraute,<br />

weil ich oft Bemerkungen hinwarf oder Andeutungen machte <strong>von</strong> Dingen, die<br />

ich doch gar nicht wissen könne, so z. B. gäbe ich mir den Anschein, als ob<br />

ich etwas <strong>von</strong> Kant und Schopenhauer verstünde oder <strong>von</strong> Paläontologie, die<br />

man in der Schule ja gar nicht «hätte». Diese erstaunlichen Feststellungen<br />

zeigten mir, daß eigentlich alle brennenden Fragen nicht zum Alltag, sondern,<br />

wie mein Urgeheimnis, zur Gotteswelt gehörten, <strong>von</strong> der man besser<br />

schweigen sollte,,<br />

Ich hütete mich <strong>von</strong> da an, diese «Esoterik» unter meinen Kameraden zu<br />

erwähnen, und unter den Erwachsenen wußte ich niemanden, mit dem ich<br />

hätte reden können, ohne befürchten zu müssen, daß man mich für einen<br />

Aufschneider und Betrüger hielt. Was ich dabei am peinlichsten empfand,<br />

war die Verh inderung und Lähmung meiner Versuche, die Trennung der<br />

beiden Welten in mir aufzuheben. Immer wieder tr<strong>at</strong>en Ereignisse ein, die<br />

mich aus meinem gewöhnlichen Alltagsdasein hinaus in die grenzenlose<br />

«Gotteswelt» drängten.<br />

Der Ausdruck «Gotteswelt», der für g ewisse Ohren sentimenta-lisch klingt,<br />

h<strong>at</strong>te für mich keineswegs diesen Charakter. Zur «Gotteswelt» gehörte alles<br />

«Übermenschliche», blendendes Licht, Finsternis des Abgrunds, die kalte<br />

Ap<strong>at</strong>hie des Grenzenlosen in Zeit und Raum und das unheimlich Groteske der<br />

irr<strong>at</strong>ionalen Zufalls welt. «Gott» war für mich alles, nur nicht erbaulich.<br />

IV<br />

Je älter ich wurde, desto häufiger wurde ich <strong>von</strong> meinen Eltern und <strong>von</strong><br />

anderen Leuten gefragt, was ich eigentlich werden wolle. Darüber war ich mir<br />

keineswegs im klaren. Meine Interessen zogen mich nach verschiedenen<br />

Seiten. Einesteils zog mich die N<strong>at</strong>urwis senschaft mit ihrer auf T<strong>at</strong>sachen<br />

beruhenden Wahrheit mächtig an, andernteils faszinierte mich alles, was mit<br />

vergleichender Religionsgeschichte zusammenhing. In ersterer waren es<br />

Zoologie, Paläontologie und Geologie, in letzterer griechisch-römische,<br />

ägyptische und prähistorische Archäologie, denen meine haupt-<br />

77

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!