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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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hätte ich die Gralssage unbedingt in meine Untersuchung der Al-chemie<br />

einbeziehen müssen.<br />

Meine Erinnerung an meinen V<strong>at</strong>er ist die an einen Leidenden, der an einer<br />

Amfortaswunde litt, ein «Fischerkönig», dessen Wunde nicht heilen wollte -<br />

das christliche Leiden, für welches die Akhemisten die Panacee (Heilmittel)<br />

suchten. Ich als ein «thum-ber» Parzival war Zeuge dieser Krankheit während<br />

der Jahre meiner Jugend, und wie jenem h<strong>at</strong>te mir die Sprache versagt. Ich<br />

ahnte bloß.<br />

Mein V<strong>at</strong>er h<strong>at</strong> sich in Wirklichkeit nie mit der theriomorphen<br />

Christussymbolik beschäftigt, dafür aber das <strong>von</strong> Christus vorgezeigte und<br />

verheißene Leiden wortwörtlich bis zum Tode durchgelebt, ohne sich der<br />

Konsequenz der imit<strong>at</strong>io Christi klar bewußt zu werden. Er betrachtete sein<br />

Leiden als seine priv<strong>at</strong>e Angelegenheit, über die man sich beim Arzte R<strong>at</strong><br />

holt, nicht aber als das Leiden des christlichen Menschen überhaupt. Das<br />

Wort Gal<strong>at</strong>. II, 20, «Ich lebe, aber nicht mehr ich, sondern Christus lebt in<br />

mir», ist ihm in seiner Bedeutungsschwere nicht deutlich geworden, denn in<br />

religiöser Hinsicht perhorreszierte er alles Denken. Er wollte sich mit dem<br />

Glauben begnügen, doch dieser brach ihm die Treue. Damit wird öfters das<br />

sacrificium intellectus belohnt. «Nicht alle fassen dieses Wort, sondern nur<br />

die, denen es gegeben ist... es gibt Verschnittene, die sich selbst verschnitten<br />

haben um des Reiches der Himmel willen. Wer es fassen kann, fasse es!»<br />

(M<strong>at</strong>h. XIX, 11 ff.) Ein blindes Annehmen führt nie zur Lösung, sondern<br />

bestenfalls zum Stillstand, und geht zu Lasten der folgenden Gener<strong>at</strong>ion.<br />

Der Besitz an theriomorphen Attributen weist darauf hin, daß die Götter<br />

nicht nur in übermenschliche Regionen reichen, sondern auch in die<br />

untermenschlichen Bezirke des Lebens. Die Tiere stellen gewissermaßen<br />

ihren Sch<strong>at</strong>ten dar, welchen die N<strong>at</strong>ur dem lichten Bilde beigesellt. Die<br />

«pisciculi Christianorum» zeigen, daß die, welche Christo nachfo lgen, selber<br />

Fische sind. Es sind Seelen unbewußter N<strong>at</strong>ur, die der cura animarum<br />

bedürfen. Das Fischlabor<strong>at</strong>orium ist also ein Synonym für die kirchliche<br />

Seelsorge. Wie der Verwundende sich selber verwundet, so heilt der Heilende<br />

sich selber. Bezeichnenderweise wird im Traum die entscheidende Tätigkeit<br />

<strong>von</strong> Toten an Toten ausgeführt, nämlich im Jenseits des Bewußtseins, also im<br />

Unbewußten.<br />

Ein wesentlicher Aspekt meiner Aufgabe war mir in der T<strong>at</strong> damals noch<br />

keineswegs bewußt geworden, und ich wäre darum<br />

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