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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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Entwicklung nachzuholen hätte. Die Hervorhebung des Metalls aber zeigte<br />

mir die unverhohlene alchemistische Auffassung Christi als einer<br />

Vereinigung geistig -lebendiger und physisch-toter M<strong>at</strong>erie an.<br />

In «Aion» (1951) griff ich das Problem des Christus wieder auf. Hier ging<br />

es mir aber nicht um die Frage der geistesgeschichtlichen Parallelen, sondern<br />

um eine Konfront<strong>at</strong>ion seiner Gestalt mit der Psychologie. Auch betrachtete<br />

ich Christus nicht als eine <strong>von</strong> allen Äußerlichkeiten befreite Gestalt, sondern<br />

ich wollte die sich durch die Jahrhunderte hinziehende Entwicklung des durch<br />

ihn dargestellten religiösen Inhalts aufzeigen. Es war mir auch wichtig, wie<br />

Christus astrologisch vorausgesagt werden konnte, und wie er aus dem Geiste<br />

seiner Zeit und im Verlauf der zweitausend Jahre christlicher Zeitrechnung<br />

verstanden wurde. Das war es, was ich darstellen wollte, zusammen mit all<br />

den merkwürdigen Randglossen, welche sich im Laufe der Zeiten um ihn<br />

angesammelt h<strong>at</strong>ten.<br />

Während der Arbeit ergab sich auch die Frage nach der historischen Gestalt,<br />

nach dem Menschen Jesus. Sie ist darum bedeutungsvoll, weil die kollektive<br />

Mentalität seiner Zeit - man könnte sagen:<br />

der Archetypus, der damals konstelliert war, nämlich das Urbild des<br />

Anthropos - sich auf ihn, einen fast unbekannten jüdischen Propheten,<br />

niedergeschlagen h<strong>at</strong>. Die antike Anthropos-Idee, deren Wurzeln in der<br />

jüdischen Tradition einerseits und im ägyptischen Horus-Mythus andererseits<br />

liegen, h<strong>at</strong>te die Menschen zu Beginn der christlichen Aera ergriffen; denn sie<br />

entsprach dem Zeitgeist. Es ging um den «Menschensohn», den Sohn Gottes,<br />

der dem «divus Augustus», dem Herrscher dieser Welt, gegenüberstand.<br />

Dieser Gedanke machte das ursprünglich jüdische Problem des Messias zur<br />

Angelegenheit der Welt.<br />

Es wäre aber ein schweres Mißverständnis, wollte man es als bloßen<br />

«Zufall» ansehen, daß Jesus, der Zimmermannssohn, das Evangelium<br />

verkündet h<strong>at</strong> und zum salv<strong>at</strong>or mundi, zum Erlöser der Welt, geworden ist.<br />

Er muß eine Persönlichkeit <strong>von</strong> begnadetem Ausmaß gewesen sein, daß er<br />

imstande war, die allgemeine, wenn auch unbewußte Erwartung seiner Zeit so<br />

vollkommen auszudrücken und darzustellen. Niemand anderer hätte der<br />

Träger einer solchen Botschaft sein können als eben dieser Mensch Jesus.<br />

Die alles erdrückende Macht Roms, verkörpert im göttlichen Caesar, h<strong>at</strong>te<br />

damals eine Welt geschaffen, in der nicht nur unzäh-<br />

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