30.12.2012 Aufrufe

Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Welt ist. Das Mandala stellt diese Monade dar und entspricht der<br />

mikrokosmischen N<strong>at</strong>ur der Seele.<br />

Ich weiß nicht mehr, wieviele Mandalas ich damals gezeichnet habe. Es<br />

waren sehr viele. Während ich daran arbeitete, tauchte immer wieder die<br />

Frage auf: «Wohin führt der Prozeß, in dem ich stehe? Wo liegt sein Ziel?»<br />

Ich wußte aus eigener Erfahrung, daß ich <strong>von</strong> mir aus kein Ziel hätte wählen<br />

können, das mir vertrauenswürdig erschienen wäre. Ich h<strong>at</strong>te erlebt, daß ich<br />

die Idee der Überordnung des Ich vollkommen aufgeben mußte. Daran war<br />

ich ja gescheitert: ich wollte die wissenschaftliche Durcharbeitung der<br />

Mythen fortsetzen, so wie ich sie in «Wandlungen und Symbole der Libido»<br />

begonnen h<strong>at</strong>te. Das war mein Ziel. Aber keine Rede da<strong>von</strong>! Ich wurde<br />

gezwungen, den Prozeß des Unbewußten selber durchzumachen. Ich mußte<br />

mich zuerst <strong>von</strong> diesem Strom mitreißen lassen, ohne zu wissen, wohin er<br />

mich führen würde. Erst als ich die Mandalas zu malen anfing, sah ich, daß<br />

alles, alle Wege, die ich ging, und alle Schritte, die ich t<strong>at</strong>, wieder zu einem<br />

Punkte zurückführten, nämlich zur Mitte. Es wurde mir immer deutlicher:<br />

das Mandala ist das Zentrum. Es ist der Ausdruck für alle Wege. Es ist der<br />

Weg zur Mitte, zur Individu<strong>at</strong>ion.<br />

Während der Jahre zwischen 1918 bis ungefähr 1920 wurde mir klar, daß<br />

das Ziel der psychischen Entwicklung das Selbst ist. Es gibt keine lineare<br />

Entwicklung, es gibt nur eine Circumambula -tion des Selbst. Eine einsinnige<br />

Entwicklung gibt es höchstens am Anfang; später ist alles Hinweis auf die<br />

Mitte. Diese Erkenntnis gab mir Festigkeit, und allmählich stellte sich die<br />

innere Ruhe wieder ein. Ich wußte, daß ich mit dem Mandala als Ausdruck<br />

für das Selbst das für mich Letzte erreicht h<strong>at</strong>te. Vielleicht weiß ein anderer<br />

mehr, aber nicht ich.<br />

Eine Bestätigung der <strong>Gedanken</strong> über das Zentrum und das Selbst erhielt<br />

ich Jahre später (1927) durch einen Traum. Seine Essenz habe ich in einem<br />

Mandala dargestellt, das ich als «Fenster in die Ewigkeit» bezeichnete. Das<br />

Bild ist in «Das Geheimnis der Goldenen Blüte» abgebildet 14 . Ein Jahr später<br />

malte ich ein zweites Bild, ebenfalls ein Mandala, welches im Zentrum ein<br />

goldenes Schloß darstellt 18 . Als es fertig war, fragte ich mich: «Warum ist das<br />

14 Abb. 3. In Ges. Werke IX/1, 1976, Bild 6.<br />

15 «Das Geheimnis der Goldenen Blüte», 10. Aufl. 1973, Abb. 10, in Ges. Werke<br />

IX/1, 1976, Bild 36.<br />

200

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!