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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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gengetreten waren: auf gewisse Reizworte wußten die P<strong>at</strong>ienten entweder<br />

keine assozi<strong>at</strong>ive Antwort, oder sie gaben sie mit erheblich verlängerter<br />

Reaktionszeit. Wie sich nachträglich herausstellte, tr<strong>at</strong> eine solche Störung<br />

jedesmal dann auf, wenn das Reizwort einen seelischen Schmerz oder<br />

Konflikt berührt h<strong>at</strong>te. Das war aber den P<strong>at</strong>ienten meist unbewußt, und auf<br />

meine Fragen nach der Ursache der Störung antworteten sie oft auf eine<br />

merkwürdig gekün -stelte Art und Weise. Die Lektüre <strong>von</strong> Freuds<br />

«Traumdeutung» zeigte mir, daß hier der Verdrängungsmechanismus am<br />

Werke war, und daß die <strong>von</strong> mir beobachteten T<strong>at</strong>sachen mit seiner Theorie<br />

übereinstimmten. Ich konnte seine Ausführungen nur bestätigen.<br />

Anders stand es in bezug auf den Inhalt der Verdrängung. Darin konnte ich<br />

Freud nicht recht geben. Er sah als Ursache der Verdrängung das sexuelle<br />

Trauma an, und das genügte mir nicht. Aus meiner Praxis kannte ich<br />

zahlreiche Fälle <strong>von</strong> Neurosen, bei denen die Sexualität nur eine<br />

untergeordnete Rolle spielte und andere Faktoren im Vordergrund standen, z.<br />

B. das Problem der sozialen Anpassung, der Unterdrückung durch tragische<br />

Lebensumstände, der Prestige-Ansprüche usw. Später habe ich Freud solche<br />

Fälle vorgelegt; aber andere Faktoren als Sexualität ließ er als Ursache nicht<br />

gelten. Das war für mich sehr unbefriedigend.<br />

Am Anfang ist es mir nicht leicht gefallen, Freud den richtigen Pl<strong>at</strong>z in<br />

meinem Leben zu geben, oder mich richtig zu ihm einzustellen. Als ich mit<br />

seinem Werk bekannt wurde, lag eine akademische Laufbahn vor mir, und ich<br />

stand vor dem Abschluß einer Arbeit, die mich an der Universität vorwärts<br />

bringen sollte. Freud war aber in der akademischen Welt jener Zeit<br />

ausgesprochen persona non gr<strong>at</strong>a, und die Beziehung zu ihm war daher jedem<br />

wissenschaftlichen Ruf abträglich. Die «wichtigen Leute» erwähnten ihn<br />

höchstens verstohlen, und bei den Kongressen wurde er nur in den Couloirs<br />

diskutiert, niemals im Plenum. So war es mir keineswegs angenehm, daß ich<br />

die Übereinstimmung meiner Assozi<strong>at</strong>ionsversuche mit Freuds Theorien<br />

feststellen mußte.<br />

Einmal war ich in meinem Labor<strong>at</strong>orium mit diesen Fragen beschäftigt, als<br />

mir der Teufel einflüsterte, ich sei berechtigt, die Ergebnisse meiner<br />

Experimente und meine Schlußfolgerungen zu publizieren, ohne Freud zu<br />

erwähnen. Ich h<strong>at</strong>te ja meine Versuche ausgearbeitet, lange ehe ich etwas <strong>von</strong><br />

ihm verstand. Aber da hörte ich die Stimme meiner zweiten Persönlichkeit:<br />

«Wenn du derglei-<br />

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