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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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Jeder Therapeut sollte eine Kontrolle haben durch eine Drittperson, damit<br />

er noch einen anderen Gesichtspunkt erhält. Selbst der Papst h<strong>at</strong> einen<br />

Beichtv<strong>at</strong>er. Ich r<strong>at</strong>e den Analytikern immer:<br />

«Habt einen »Beichtv<strong>at</strong>er' oder eine »Beichtmutter'!» Die Frauen sind dafür<br />

nämlich sehr begabt. Sie haben oft eine ausgezeichnete Intuition und eine<br />

treffende Kritik und können den Männern, und unter Umständen auch deren<br />

Anima-Intrigen, wohl in die Karten sehen. Sie sehen Seiten, die der Mann<br />

nicht sieht. Darum war noch keine Frau da<strong>von</strong> überzeugt, daß ihr Mann der<br />

Übermensch sei!<br />

Wenn jemand eine Neurose h<strong>at</strong>, ist es verständlich, daß er eine Analyse<br />

durchmacht; wenn er aber «normal» ist, besteht kein Zwang dazu. Aber ich<br />

kann Ihnen versichern, mit der sogenannten Normalität habe ich erstaunliche<br />

Erfahrungen gemacht: Einmal bin ich nämlich einem ganz «normalen»<br />

Schüler begegnet. Er war Arzt und kam zu mir mit den besten Empfehlungen<br />

eines alten Kollegen. Er war sein Assistent gewesen und h<strong>at</strong>te seine Praxis<br />

übernommen. Er h<strong>at</strong>te normalen Erfolg, eine normale Praxis, eine normale<br />

Frau, normale Kinder, wohnte in einem normalen kleinen Haus in einer<br />

normalen kleinen Stadt, er h<strong>at</strong>te ein normales Einkommen und wahrscheinlich<br />

auch eine normale Ernährung! Er wollte Analytiker werden. Ich sagte ihm:<br />

«Wissen Sie, was das heißt ? Das heißt: Sie müssen zuerst sich selber<br />

kennenlernen. Das Instrument sind Sie selber. Wenn Sie nicht richtig sind,<br />

wie kann dann der P<strong>at</strong>ient richtig werden? Wenn Sie nicht überzeugt sind, wie<br />

können Sie ihn überzeugen? Sie selber müssen der wirkliche Stoff sein. Aber<br />

wenn Sie es nicht sind, dann helfe Ihnen Gott! Dann werden Sie die P<strong>at</strong>ienten<br />

in die Irre führen. Sie müssen also erst einmal die Analyse selber auf sich<br />

nehmen.» - Der Mann war einverstanden, sagte mir aber gleich: «Ich habe<br />

Ihnen nichts Problem<strong>at</strong>isches zu erzählen!» Das hätte mich warnen sollen. Ich<br />

sagte: «Nun gut, dann können wir Ihre <strong>Träume</strong> betrachten.» Er sagte: «Ich<br />

habe keine <strong>Träume</strong>.» Ich: «Sie werden bald welche haben.» Ein anderer hätte<br />

wahrscheinlich schon in der nächsten Nacht geträumt. Er konnte sich aber an<br />

keinen Traum erinnern. Das ging so etwa vierzehn Tage lang, und es wurde<br />

mir etwas unheimlich.<br />

Endlich kam ein eindrucksvoller Traum. Er träumte, daß er in der<br />

Eisenbahn fuhr. Der Zug h<strong>at</strong>te in einer bestimmten Stadt zwei Stunden<br />

Aufenthalt. Da der <strong>Träume</strong>r diese Stadt nicht kannte<br />

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