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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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Heinrich Zimmer*<br />

Zu Anfang der dreißiger Jahre lernte ich Heinrich Zimmer kennen. Ich h<strong>at</strong>te<br />

sein fas2inierendes Buch «Kunstfo rm und Yoga»» gelesen und mir schon<br />

lange gewünscht, seine persönliche Bekanntschaft zu machen. Ich fand in ihm<br />

einen genialischen Menschen <strong>von</strong> lebhaftestem Temperament. Er sprach sehr<br />

viel und sehr rasch, konnte aber auch aufmerksam und mit Intensität zuhören.<br />

Wir verlebten zusammen einige schöne Tage, die <strong>von</strong> inhaltsreichen und für<br />

mich ungemein anregenden Gesprächen erfüllt waren. Wir sprachen<br />

hauptsächlich <strong>von</strong> indischer Mythologie. Bei dieser Gelegenheit erzählte er<br />

mir, wie er auf das <strong>von</strong> Richard Wilhelm und mir gemeinsam herausgegebene<br />

Buch «Das Geheimnis der Goldenen Blüte» reagiert h<strong>at</strong>te. Leider war mir zur<br />

Zeit, als ich darüber schrieb, Zimmers «Kunstform und Yoga» noch<br />

unbekannt, so daß ich sein M<strong>at</strong>erial, das für mich höchst wertvoll war, nicht<br />

h<strong>at</strong>te verwenden können. Ich bedauerte das sehr. Als Zimmer «Das Geheimnis<br />

der Goldenen Blüte» in die Hand bekam und darin blätterte, geriet er<br />

- so erzählte er mir - in Wut und zwar wegen meines psychologischen<br />

Kommentars. Er schmetterte das Buch an die Wand.<br />

Diese charakteristische Reaktion erstaunte mich allerdings nicht, denn sie<br />

war mir aus anderen ähnlichen Fällen schon längst bekannt, aber nur indirekt.<br />

Zimmer war der erste, der mir da<strong>von</strong> direkt erzählte. Er h<strong>at</strong>te, wie so viele<br />

andere, auf das Wort «psychologisch» reagiert wie der Stier auf das rote<br />

Tuch. Mit solchen Texten, die ein bloß historisches Interesse haben, h<strong>at</strong> doch<br />

die «Seele» nichts zu tun! Das kann nur reine Unwissenschaftlichkeit und<br />

Phantasterei sein!<br />

Nach einiger Zeit, als er seine Besinnung und damit sein wis senschaftliches<br />

Gewissen wiedergewonnen h<strong>at</strong>te, verspürte er eine gewisse Neugier, in<br />

Erfahrung zu bringen, was die Psychologie in einem solchen Fall denn<br />

eigentlich zu sagen habe. Er hob das Buch vom Boden auf und begann darin<br />

zu lesen. Als der hervorragende Kenner der indischen Liter<strong>at</strong>ur, der er war,<br />

konnte er nicht umhin, eine Reihe interessanter Parallelen zu entdecken,<br />

wobei ihm sein ausgesprochen künstlerisches Anschauungsvermögen und<br />

seine<br />

8 Nur in der deutschen Ausgabe.<br />

1 «Kunstform und Yoga im indischen Kultbild», Berlin 1926.<br />

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