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Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung - Mahs.at

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eeindruckt. Sie wirkten wie ein K<strong>at</strong>alys<strong>at</strong>or auf die in mir aufgestauten, noch<br />

ungeordneten <strong>Gedanken</strong>. Allmählich formte sich aus ihnen und aus der <strong>von</strong><br />

mir erworbenen Kenntnis der Mythen das Buch über die «Wandlungen und<br />

Symbole der Libido». Während ich daran arbeitete, h<strong>at</strong>te ich bedeutsame<br />

<strong>Träume</strong>, welche schon auf den Bruch mit Freud hinwiesen. Einer der<br />

eindrucksvollsten spielte in einer bergigen Gegend in der Nähe der schweizerisch-österreichischen<br />

Grenze. Es war gegen Abend, und ich sah einen<br />

ältlichen Mann in der Uniform eines k. k. Zollbeamten. Etwas gebückt ging er<br />

an mir vorbei, ohne mich zu beachten. Sein Gesichtsausdruck war<br />

griesgrämig, etwas melancholisch und verärgert. Es waren noch andere<br />

Menschen da, und jemand belehrte mich, der Alte sei gar nicht wirklich,<br />

sondern der Geist eines vor Jahren verstorbenen Zollbeamten. «Das ist einer<br />

<strong>von</strong> denen, die nicht sterben konnten», hieß es.<br />

Dies ist der erste Teil des Traumes.<br />

Als ich daran ging, ihn zu analysieren, fiel mir zum Zoll gleich die<br />

«Zensur» ein; zur Grenze einerseits diejenige zwischen Bewußtsein und<br />

Unbewußtem, andererseits die zwischen Freuds Ansichten und den meinen.<br />

Die Untersuchung - hochnotpeinlich - an der Grenze schien mir auf die<br />

Analyse anzuspielen. An der Grenze werden die Koffer geöffnet und auf<br />

Konterbande geprüft. Dabei werden unbewußte Voraussetzungen entdeckt.<br />

Der alte Zollbeamte h<strong>at</strong>te offenbar in seiner Tätigkeit so wenig Erfreuliches<br />

und Befriedigendes erlebt, daß seine Weltanschauung ein saures Gesicht dazu<br />

machte. Ich konnte die Analogie mit Freud nicht abweisen.<br />

Freud h<strong>at</strong>te zwar damals (1911) für mich die Autorität in einem gewissen<br />

Sinne verloren. Aber er bedeutete mir nach wie vor eine überlegene<br />

Persönlichkeit, auf die ich den V<strong>at</strong>er projizierte, und diese Projektion war zur<br />

Zeit des Traumes noch längst nicht aufgehoben. Wo eine solche Projektion<br />

vorliegt, ist man nicht objektiv, sondern h<strong>at</strong> ein gespaltenes Urteil. Einesteils<br />

ist man abhängig, und andernteils h<strong>at</strong> man Widerstände. Zur Zeit, als der<br />

Traum st<strong>at</strong>tfand, schätzte ich Freud noch hoch, auf der anderen Seite aber war<br />

ich kritisch. Diese geteilte Einstellung ist ein Anzeichen dafür, daß ich in<br />

dieser Situ<strong>at</strong>ion noch unbewußt war und sie nicht reflektiert h<strong>at</strong>te. Das ist<br />

charakteristisch für alle Projektionen. Der Traum legte mir nahe, hierüber<br />

Klarheit zu gewinnen.<br />

Unter dem Eindruck <strong>von</strong> Freuds Persönlichkeit h<strong>at</strong>te ich, soweit wie<br />

möglich, auf mein eigenes Urteil verzichtet und meine Kritik<br />

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