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3. Rumpelstilzchen<br />
[Vorbemerkungen]<br />
[Auch hier denken wir am besten an das doppelte<br />
Weltbild, z.B. Farbtafeln 9.4 und 16.5.<br />
Solange keine Götter in der Erzählung sind, haben<br />
wir ganz oben den König als CoU (die erste<br />
kabbalistische Welt). Darunter ist der Königspalast<br />
mit der Königin (PVC) und vielen Kammern<br />
(Vag-Vul) (die zweite kabbalistische Welt). Die<br />
dritte Welt (wG oder mG) hat eigentlich auch<br />
zwei Teile, nämlich Vul-Vag (jetzt die Mühle<br />
mit dem Vul-Mühlrad, dem PVC-Müller und der<br />
Lami-Müllerstochter) und darunter das Reich<br />
des Teufels (Ut/Scr), der am Ende erwähnt wird;<br />
denn Rumpelstilzchen (Cl) ist mit dem Teufel<br />
im Bunde, ja sogar eine Erscheinungsform des<br />
Teufels. — Die Müllerstochter wird nacheinander<br />
in drei Kammern geführt: Das sind drei sich wiederholende<br />
Erzählschritte über dieselbe Sache in<br />
derselben Kammer (Vag), natürlich mit erzähltechnischer<br />
Steigerung und Variation.<br />
Die Tochter soll Stroh spinnen. In dem Ausdruck<br />
»leeres Stroh dreschen« wären Lama das<br />
leere Stroh, nämlich halmförmige leere Säcke<br />
(wie Scr ohne Tss). Das ist hier nicht gemeint.<br />
Stroh ist lat. ‘stramentum’ »Streu; das zum Hinbreiten<br />
Dienliche«, also Lami. Da die Kammer<br />
voll davon ist, müßten es Lami clau sein. Diese<br />
Position brauchen wir aber für die Müllerstochter.<br />
Denkt man bei »Stroh« an »trockene Getreidehalme<br />
ohne Körner«, könnte man auch CoRu-<br />
RuV xer deuten. Dazu paßt, daß das Nachtlager<br />
früher ein Strohbett (TMV xer) war (noch in<br />
»Strohwitwe«). Küpper schreibt: „»Stroh« kennzeichnet<br />
sinnbildlich das Hohle, <strong>Inhalt</strong>slose“, und<br />
»dumm wie Stroh« meint eine leere Ähre. Dann<br />
wäre die »Kammer voll Stroh« eigentlich nur<br />
eine leere (vac) Kammer (Vag), bildlich ein einziger<br />
hohler Halm oder die leere Form (Matrize)<br />
einer körnerlosen Ähre, und so wird verständlich,<br />
daß der unverheiratete König (CoU) endlich die<br />
Kammer voll Gold (VS) haben will (am besten<br />
natürlich einen »ramus aureus«). — Zum Namen<br />
»Rumpelstilzchen«: Man kann »Wäsche rumpeln«,<br />
nämlich »auf dem Waschbrett reibend<br />
waschen«; denn südd. & österr. ‘Rumpel’ ist<br />
»Waschbrett« (RuV). So ist der »kleine Griffel<br />
am Waschbrett« leicht als Cl zu erkennen. Über<br />
die Macht der Namen schreibt Biedermann:<br />
154<br />
Die Vorstellung, daß bestimmte Namen, geheime Worte<br />
und Töne Macht ausüben können, ist in vielen Kult- und<br />
Mysterienbünden enthalten und spielt naturgemäß auch<br />
in dem wenig erforschten Bereich der Wortmagie eine<br />
dominierende Rolle. Gottheiten, Dämonen, Engel, übernatürliche<br />
Wesenheiten aller Art müssen, dieser Ideologie<br />
zufolge, reagieren, wenn sie in der rechten Art – mit<br />
ihrem geheimen Namen – angesprochen oder angerufen<br />
werden. Wer diese verborgenen Worte kennt, ist in der<br />
Lage, mit diesen Übernatürlichen zu kommunizieren<br />
oder sie sogar zu zwingen, dem Anrufer zu dienen. Dies<br />
ist nicht eine religiöse, sondern eine magische Grundhaltung.<br />
Offenbar war dieser Glaube an die Macht der<br />
Namen einst weit verbreitet. 20<br />
Speziell zu »Rumpelstilzchen« sagt er: „Hier<br />
wird in kindertümlicher Weise recht deutlich<br />
gezeigt, daß sich der Mensch eines übernatürlichen<br />
Wesens bemächtigen kann, wenn er es mit<br />
dem richtigen Namen anspricht.“ 21 Mit dem Aussprechen<br />
seines Namens bringt die Müllerstochter<br />
dem Rumpelstilzchen den Untergang.]<br />
Text, Struktur und Kommentar<br />
(1: Hochmut des Müllers.) Es war einmal ein<br />
Müller (PVC), der war arm, aber er hatte eine<br />
schöne Tochter (Lami). Nun traf es sich, daß er<br />
mit dem König (CoU) zu sprechen kam (vielleicht<br />
auf der Vul-Ebene; denn beide Ut sind beweglich),<br />
und um sich ein Ansehen zu geben,<br />
sagte er zu ihm: „Ich habe eine Tochter, die kann<br />
Stroh zu Gold spinnen.“ Der König sprach zum<br />
Müller: „Das ist eine Kunst (*zu ‘cunnus’), die<br />
mir wohl gefällt. Wenn deine Tochter so<br />
geschickt (exp) ist, wie du sagst, so bring sie morgen<br />
in mein Schloß (wG), da will ich sie auf die<br />
Probe stellen.“ Als nun das Mädchen (Lami) zu<br />
ihm gebracht wurde, führte er es in eine Kammer<br />
(Vag), die ganz voll Stroh (xer/vac) lag, gab ihr<br />
Rad (Vul-GC) und Haspel (Cl: Welle zum Aufwickeln<br />
von Garn) und sprach: „Jetzt mach dich<br />
an die Arbeit, und wenn du diese Nacht durch bis<br />
morgen früh dieses Stroh nicht zu Gold versponnen<br />
hast, so mußt du sterben.“ Darauf schloß er<br />
die Kammer selbst zu (Lama plic), und das<br />
Mädchen (Lami clau) blieb allein darin.<br />
(2: Hilfe beim Spinnen.) Da saß nun die Müllerstochter<br />
(Idi) und wußte keinen Rat (sie kannte<br />
kein Rad: Ii). Sie verstand gar nichts davon, wie<br />
man Stroh zu Gold spinnen konnte, und ihre<br />
Angst wurde immer größer, so daß sie endlich zu<br />
weinen anfing. Da ging auf einmal die Türe<br />
(Lama) auf, und herein trat ein kleines Männchen<br />
(Cl: es kommt aus der Unterwelt , schaut oben