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11. Frau Holle<br />
[Vorbemerkungen]<br />
[Marija Gimbutas sagt, daß die Erinnerung an<br />
die Große Göttin der Urzeit in Märchen und<br />
Ritualen, im Brauchtum und in der Sprache fortlebt.<br />
Märchensammlungen wie die der Brüder Grimm enthalten<br />
eine Fülle von vorgeschichtlichen Motiven und<br />
beschreiben beispielsweise die Funktionen der Wintergöttin<br />
Holle (Holla, Hell, Holda, Perchta). Sie ist das<br />
häßliche alte Weib mit langer Nase, großen Zähnen und<br />
wirrem Haar … In Gestalt eines Froschs bringt Frau<br />
Holle den roten Apfel, Symbol des Lebens, aus dem<br />
Brunnen, in den er bei der Ernte gefallen ist, wieder auf<br />
die Erde zurück. Ihr Reich liegt im tiefsten Innern von<br />
Bergen und Höhlen. 55<br />
Der Name »Holle« gesellt sich zu »Höhle« und<br />
»Hölle« (im Sinne von wG-Unterwelt). „Der<br />
Holler oder Holunder war der heilige Baum der<br />
Göttin, dem besondere Heilkräfte zugeschrieben<br />
wurden und unter dem die Toten wohnten.“ 56<br />
Demnach ist Frau Holle Ut, ihr großer Zahn ist<br />
PVC (pluralisiert), ihr wirres Haar Peri. Ihre<br />
Wohnhöhle ist Vag. Der Brunnen, durch den<br />
man in eine freundliche Unterwelt gerät, ist Vul.<br />
Auch Walker spricht über Frau Holle (Hel, Halja,<br />
Hild, Helga, Ella, Hellenia):<br />
Sie verkörperte den Grabesschoß der Wiedergeburt nach<br />
dem Tod. Die Isländer kennen noch heute ein traditionelles<br />
»Heim der Toten« in Helgafell oder Hels Hügel. In<br />
Deutschland galt »Frau Holles Brunnen« (Vul/Vag) als<br />
der Mutterschoß aller Kinder der Erde. 57<br />
Der Holunderbeersaft mit seiner tiefdunkelroten<br />
bis schwarzen Farbe eignet sich gut als<br />
Symbol für MB. Wir halten einen solchen Hollebaum<br />
(der ist aber in unserer Version des Märchens<br />
nicht erwähnt) für den »Baum des Lebens«<br />
(Ut) am Ende der Offenbarung des Johannes. Der<br />
Baum steht im Paradies Gottes und bringt (bei<br />
Johannes) alle Monate Früchte (MB). In »Frau<br />
Holle« ist ein roter Apfel (GP mit Spa) „bei der<br />
Ernte“ (also im GV-Herbst) in den Brunnen gefallen<br />
(gephallt). Wenn die Alte ihn (im GV-<br />
Winter!) von da zurückbringt, kann es sich nur<br />
um ein Bild für Men handeln (Spa kommt verwandelt<br />
als MB zurück). In der Parallele zwischen<br />
Jahreslauf und weiblichem Zyklus entsprechen<br />
die Wintermonate (Dezember, Januar und<br />
Februar) der Men (besonders der Februar als<br />
»Reinigungsmonat«, doch schon zu Weihnachten<br />
backt man »Hollenzopf«). Wenn es im Winter<br />
180<br />
schneit, sagt man (nicht nur in Hessen): »Frau<br />
Holle macht ihr Bett« oder »Frau Holle schüttelt<br />
die Betten aus«. Daraus ergibt sich der Schnee als<br />
überraschende Chiffre für MB (das Keim-Bett<br />
wird abgestoßen). Nach Faulmann ist es die Wintergöttin<br />
Holla, „welche die Schneedecke, die<br />
Blüthenflocken (MB) des Winters (Sanskrit phull<br />
‘blühen’) über die Erde streut, wie der Frühling<br />
die Blüthen (MV).“ 58 Auch andere Lebensbäume<br />
haben wir kennengelernt, zum einen heißt das<br />
Drüsengewebe (PliP) der Zervix (CUt) »arbor<br />
vitae« 59 , zum andern heißt der Sefirotbaum (Otz<br />
Chim) auch »Baum des Lebens« 60 . Nun erscheint<br />
in »Frau Holle« tatsächlich ein Baum als Figur,<br />
nicht der Holunder, sondern ein Apfelbaum. Seine<br />
Früchte sind reif und wollen geschüttelt werden.<br />
Wir sehen die Wanderung der Tochter durch<br />
das Holleland mit zwei Arbeitsepisoden als allgemeinen<br />
Test für ihren Fleiß, noch nicht als<br />
Vorgriff auf das Motiv vom Bettenschütteln in<br />
Frau Holles Schlafkammer. Deshalb ist dieser<br />
Apfelbaum ein mG (mit Tss-Äpfeln) und bittet<br />
um Hilfe (GV).<br />
Die Episode mit dem Ofen ist der erste<br />
Arbeitstest. Gimbutas nennt den Brotofen „Symbol<br />
für den schwangeren Bauch der Göttin der<br />
Erdfruchtbarkeit.“ 61 Das mag zutreffen, für<br />
unsern Text paßt besser Walkers Ansatz: Sie<br />
führt den Ofen auf den Infernus des klassischen<br />
Heidentums zurück (vgl. Farbtafel 8.9):<br />
Mit Infernus war ein im Erdinnern liegender Ofen<br />
gemeint. Ein altes römisches Sprichwort besagte: »Der<br />
Ofen ist die Mutter«. Die RömerInnen assoziierten Öfen<br />
und Bäckereien mit den Tempeln der Großen Göttin. 62<br />
Nun hat die Große Göttin aber zwei Tempel<br />
(Vag und Rect), die im Altertum auch durchaus<br />
beide benutzt wurden, wie wir an anderer Stelle<br />
belegt haben. PVC ist der Herd der Hestia, der<br />
Omphalos von Delphi, der Mittelpunkt der Erde,<br />
Jerusalem, die Jungfrau Zion, die Mitte der Welt,<br />
Treffpunkt von Gott und Göttin als Sexualpartner.<br />
„Dieser Ort war mit den üblichen sexuellen<br />
Symbolen ausgestattet: eine heilige Quelle (Mumu)<br />
in einem Garten (Vag), in dem auch der<br />
Baum des Lebens (Ut) stand.“ 63 Der Herd (PVC)<br />
gilt als Kochstelle mit dem Feuer (iUt) darunter<br />
und dem Kessel (Vag) darüber. Der Kessel kann<br />
auch als Ofenröhre (Vag) aufgefaßt werden, in<br />
der sich ein Braten (Per) befindet (das Ganze<br />
dann als Bratofen). In »Frau Holle« trifft die<br />
Tochter auf einen Backofen (Rect) zum Backen