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Türe (Lama). „Wer ist draußen?“ – „Rotkäppchen,<br />
ich bring dir Kuchen und Wein, mach mir<br />
auf (apri)!“ – „Drück nur auf die Klinke (Cl),<br />
ich bin zu schwach und kann nicht aufstehen.“<br />
Der Wolf drückte auf die Klinke, und die Türe<br />
sprang auf. Da ging er hinein (in die VV-Stube),<br />
geradezu an das Bett (Vag) der Großmutter<br />
(Ut) und verschluckte sie. (Eine impuristische<br />
Verwandlung: Ut wird zu Ut.) Dann nahm er<br />
ihre Kleider (Peri), tat sie an, setzte sich ihre<br />
Haube auf (Fu, die Glockenhaube), legte sich in<br />
ihr Bett (Vag) und zog die Vorhänge (Lami<br />
clau) vor.<br />
(4: Der Wolf und das Rotkäppchen.) Rotkäppchen<br />
aber war nach den Blumen (m: Spa;<br />
*zu engl. ‘flowers’ »die Fließenden«) herumgelaufen<br />
(fric iOna), und erst als es so viel hatte,<br />
daß es keine mehr tragen (res) konnte, fiel ihm<br />
die Großmutter (Ut) wieder ein, und es machte<br />
sich auf den Weg (RiP zu wG) zu ihr. Es wunderte<br />
sich, daß die Türe (Lama) aufstand (aper),<br />
und wie es in die Stube (VV) trat, so kam es ihm<br />
so seltsam darin vor, daß es dachte: „Ei, du mein<br />
Gott, wie ängstlich (phob) wird mir’s heute<br />
zumut, und ich bin sonst so gerne bei der<br />
Großmutter (Ut).“ Darauf ging es zum Bett<br />
(Vag) und zog die Vorhänge (Lami clau) zurück.<br />
Da lag die Großmutter und hatte die Haube (Fu)<br />
tief ins Gesicht gesetzt und sah so wunderlich aus<br />
(vgl. Farbtafel 16.5: die oberste Welt wird<br />
transparent). „Ei, Großmutter, was hast du für<br />
große Ohren (Ovv)!“ – „Daß ich dich besser<br />
hören kann.“ – „Ei, Großmutter, was hast du für<br />
große Augen (Ovv)!“ – „Daß ich dich besser<br />
sehen kann.“ – „Ei, Großmutter, was hast du für<br />
große Hände (Inf)!“ – „Daß ich dich besser<br />
packen kann.“ – „Aber, Großmutter, was hast du<br />
für ein entsetzlich großes Maul (Vamu als Bild<br />
für Mumu)!“ – „Daß ich dich besser fressen<br />
(konz) kann.“ Kaum hatte der Wolf das gesagt,<br />
sprang (agdi) er auf das arme Rotkäppchen (Per)<br />
und verschlang es (konz/impak). Wie der Wolf<br />
sein Gelüsten (Libi) gestillt hatte (ebri), legte er<br />
(Ut als Ut) sich wieder ins Bett (Vag), schlief<br />
ein (reso) und fing an überlaut zu schnarchen.<br />
(5: Der Jäger und der Wolf.) Der Jäger (mG)<br />
ging eben an dem Haus (wG) vorbei und dachte:<br />
„Wie kann die alte Frau so schnarchen, du mußt<br />
einmal nachsehen, ob ihr etwas fehlt.“ Da trat er<br />
in die Stube (VV), und wie er vor das Bette (Vag)<br />
kam, so sah er, daß der Wolf (Ut) darin lag. „Finde<br />
ich dich hier, du alter Sünder“, sagte er, „ich<br />
habe dich lange gesucht.“ Nun wollte er seine<br />
Büchse (Per) anlegen (indu), da fiel ihm ein, der<br />
Wolf könnte die Großmutter (Ut) gefressen<br />
(konz) haben und sie wäre noch zu retten. (Jetzt<br />
wird der Wolf zum wG vergrößert.) Er schoß<br />
nicht, sondern nahm eine Schere (Per; zu ahd.<br />
‘scar’ »Messer«) und fing an, dem schlafenden<br />
Wolf (Ut als wG) den Bauch (Vul-Vag) aufzuschneiden.<br />
Wie er ein paar Schnitte getan hatte,<br />
da sah er das rote Käppchen (CuPi) leuchten, und<br />
noch ein paar Schnitte, da sprang (eri) das Mädchen<br />
(Per) heraus (eva) und rief: „Ach, war ich<br />
erschrocken, wie war’s so dunkel in dem Wolf<br />
(wG) seinem Leib (Vag)!“ Und dann kam die<br />
alte Großmutter (Ut) auch noch lebendig heraus<br />
und konnte kaum atmen. Rotkäppchen (Per) aber<br />
holte geschwind große Steine (Lami: Wackersteine<br />
= Wackelsteine; zwei aus der Anatomie, der<br />
Rest aus der Phantasie), damit füllten sie dem<br />
Wolf (wG) den Leib (Vag), und wie er aufwachte,<br />
wollte er fortspringen (gvit), aber die<br />
Steine waren so schwer, daß er gleich niedersank<br />
(koll) und sich tot (mor) fiel.<br />
(6: Pädagogischer Schluß.) Da waren alle<br />
drei vergnügt: Der Jäger (mG: ein Pelzträger wie<br />
Herakles) zog dem Wolf den Pelz (Pu, vorher<br />
Peri) ab und ging damit heim (jedenfalls hier<br />
weg), die Großmutter (Ut) aß den Kuchen<br />
(‘cake’) und trank den Wein (MB), den Rotkäppchen<br />
gebracht hatte (sie gibt nichts davon ab!),<br />
und erholte sich wieder, Rotkäppchen aber dachte<br />
bei sich: „Du willst dein Lebtag nicht wieder<br />
allein vom Weg (RiP) ab in den Wald laufen,<br />
wenn dir’s die Mutter verboten hat.“ (In Kinderbüchern<br />
wird die Schlußszene als große Feier im<br />
Haus der Großmutter ausgemalt, und der mG-<br />
Jäger bringt noch seinen Scr-Hund in die Stube.<br />
Das ist aber impuristisch unpassend!)<br />
(7: Erzählvariante.) Es wird auch erzählt, daß<br />
einmal, als Rotkäppchen (Per) der alten Großmutter<br />
(Ut) wieder Gebackenes (Fae als Per-<br />
Ersatz) brachte, ein anderer Wolf (Ut: beweglich)<br />
ihm zugesprochen und es vom Wege habe<br />
ableiten (»verführen«) wollen. Rotkäppchen aber<br />
hütete sich (rs) und ging gerade fort seines Weges<br />
(RiP) und sagte der Großmutter (Ut), daß es<br />
dem Wolf (Ut) begegnet wäre, der ihm guten<br />
Tag gewünscht, aber so bös aus den Augen<br />
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