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Inhalt Band II - Edocs

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Position des entrückten Gottessohnes). Die langen<br />

Storchenbeine hängen als CoRu herab.]<br />

Text, Struktur und Kommentar<br />

(1: Schuster und Schneider auf der Wanderschaft.)<br />

Ein Schuster (Schw: »Liebediener«, nach<br />

Küpper) und ein Schneider (mG) kamen auf der<br />

Wanderschaft zusammen. Der Schneider war ein<br />

kleiner, hübscher Kerl (mG) und war immer lustig<br />

(libi) und guter Dinge. Er sah den Schuster<br />

(Schw) von der andern Seite (hom) herankommen,<br />

und da er an seinem Felleisen (Scr: Reisesack,<br />

Ranzen, „Handkoffer“) merkte, was er für<br />

ein Handwerk (GVpa) trieb, rief er ihm ein Spottliedchen<br />

(Rollengedicht) zu:<br />

Näh (gvpa) mir die Naht (CreA),<br />

zieh mir den Draht (Per iAs),<br />

streich ihn rechts und links mit Pech (Güll/Fae),<br />

schlag, schlag (pls) mir fest den Zweck (Per).<br />

Der Schuster konnte keinen Spaß vertragen<br />

und wollte den Schneider am Kragen (ColG:<br />

Hals, Nacken, Genick) packen. Der kleine Kerl<br />

aber reichte ihm seine Flasche (Per) und sprach:<br />

„Es ist nicht bös gemeint, trink einmal (fell) und<br />

schluck die Galle (Ejat) hinunter.“ Der Schuster<br />

tat einen gewaltigen Schluck (Emul), dann gab er<br />

dem Schneider die Flasche zurück und sprach:<br />

„Ich habe ihr ordentlich (akkurat: »sorgfältig,<br />

ausführlich« aus ‘ac-curare’ »angemessen besorgen«)<br />

zugesprochen (fell), man sagt (das sonst)<br />

wohl vom vielen Trinken (GVpa: lat. ‘po-culum’<br />

»Trinken« & »Trinkgeschirr, Becher« As), aber<br />

nicht vom großen Durst (Emul/Fell). Wollen wir<br />

zusammen wandern (gv)?“ – „Mir ist’s recht“,<br />

antwortete der Schneider, „wenn du nur Lust<br />

(Libi) hast, in eine große Stadt (Mak mit ReAn) zu<br />

gehen, wo es nicht an Arbeit (GV) fehlt.“ Sie<br />

wanderten also zusammen (gv: coire) weiter und<br />

setzten immer einen Fuß vor den andern (gvpa:<br />

Ped/Kin abwechselnd) wie die Wiesel (> *Piesel:<br />

Per) im Schnee (Spa: „fester weißer Niederschlag,<br />

zu Flocken verklebt“). Zeit (Spa) genug<br />

hatten sie beide, aber wenig zu beißen (CS als<br />

Lotspeise) und zu brechen (def: mhd. ‘bluomen<br />

brechen’). Wenn sie in eine Stadt (Mak mit ReAn)<br />

kamen, so gingen sie umher (einzeln!) und grüßten<br />

das Handwerk („begrüßten die Mitglieder<br />

ihrer Zunft“ im üblichen Mod: GV oder GVpa<br />

oder Fell). Und weil das Schneiderlein (mG) so<br />

hübsche rote Backen (GP) hatte, gab ihm jeder<br />

gerne (Lotspeise CS), und manchmal gab ihm die<br />

Meistertochter (Lami) unter der Haustüre (Lama)<br />

auch noch einen Kuß auf den Weg (Per). Wenn<br />

er mit dem Schuster wieder zusammentraf, so<br />

hatte er immer Mehr (Überschuß) in seinem Bündel.<br />

Der griesgrämige (mhd. ‘griesgramen’ »mit<br />

den Zähnen knirschen« *wegen ‘Grieß’ »bitterer<br />

Sand«: Spa; grämen = »sich bitter sorgen« ><br />

*saugen: emul) Schuster schnitt ein schiefes<br />

Gesicht, aber der Schneider teilte alles, was er<br />

bekam, mit seinem Kameraden.<br />

(2: Das Ende der Kameradschaft.) Als sie<br />

eine Zeitlang gewandert waren, kamen sie an<br />

einen großen Wald (Pu/Sil), durch welchen der<br />

Weg nach der Königsstadt ging. Es führten aber<br />

zwei Fußsteige (Vag/Rect) hindurch, der eine<br />

sieben (»7« zu Vag) Tage lang, der andere nur<br />

zwei (»2« wie Nats), aber sie wußten nicht, welches<br />

der kürzere war. Deshalb kaufte der Schuster<br />

Brot für sieben Tage, doch der Schneider nur für<br />

zwei (Tss), weil er nicht mehr Brot (Nats) auf<br />

dem Rücken (DP) schleppen wollte wie ein Lasttier<br />

(mG). Sie gingen auf gut Glück in den Wald<br />

hinein. Da war es still wie in einer Kirche (wG).<br />

Den Schuster drückte das schwere Brot (der große<br />

Nats-Laib) auf dem Rücken, daß ihm der<br />

Schweiß (Güll) über sein verdrießliches Gesicht<br />

floß. Der Schneider aber war munter, pfiff auf<br />

einem Blatt oder sang ein Liedchen. Am dritten<br />

Tag merkten sie, daß sie auf dem längeren Weg<br />

waren, und dem Schneider fiel das Herz (Scr)<br />

doch eine Elle tiefer herab (Crem wird moll):<br />

indessen verlor er nicht den Mut (Ere). Am dritten<br />

und vierten Tag hatte nur der Schuster zu<br />

essen, gab nichts davon ab und lachte den<br />

Schneider nur höhnisch aus. Am fünften Morgen<br />

konnte der Schneider nicht mehr aufstehen (eri)<br />

und vor Mattigkeit (Moll) kaum ein Wort herausbringen.<br />

Der Schuster wollte ihm für ein Stück<br />

Brot das rechte Auge (Ts) ausstechen (kas), und<br />

der Schneider mußte einwilligen. Am sechsten<br />

Tag meldete sich der Hunger wieder, und am<br />

siebten Morgen mußte der Schneider auch das<br />

andere Auge (Ts) für ein Stück Brot hergeben.<br />

Der Schuster reichte ihm einen Stock und führte<br />

ihn hinter sich her. Abends kamen sie aus dem<br />

Wald (Pu), und vor dem Wald auf dem Feld (Vul)<br />

stand ein Galgen (Lama). Da ließ der Schuster<br />

den blinden Schneider liegen und ging seiner<br />

Wege.<br />

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