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herein) und sprach: „Guten Abend, Jungfer<br />
Müllerin, warum weint sie so sehr?“ – „Ach, ich<br />
soll Stroh zu Gold spinnen und verstehe das<br />
nicht.“ Da sprach das Männchen: „Was gibst du<br />
mir, wenn ich dir’s spinne?“ – „Mein Halsband“,<br />
sagte das Mädchen. Das Männchen nahm das<br />
Halsband (Lami), setzte sich vor das Rädchen<br />
(Vul-GC) und tat (vlv/lp), wie es versprochen<br />
hatte (in der längeren Fassung stören die Einzelheiten).<br />
Am andern Morgen fand der König<br />
(CoU) die ganze Kammer (Vag) voll Gold (VS).<br />
Er erstaunte und freute sich, aber sein Herz wurde<br />
nur noch begieriger (libi).<br />
Er ließ die Müllerstochter (Lami clau) in eine<br />
andere, noch größere Kammer (Vag) voll Stroh<br />
(xer/vac) tun, das sollte sie auch in einer Nacht zu<br />
Gold (VS) machen, wenn ihr das Leben lieb wäre.<br />
Und das Männlein (Cl) kam wieder, und sie gab<br />
ihm ihren Ring (Hy) von der Hand. Da fing es<br />
wieder an zu schnurren (vlv) mit dem Rade (Vul-<br />
GC) und hatte bis zum Morgen alles Stroh (TMV<br />
xer) zu glänzendem (lip) Gold gesponnen (lp).<br />
Der König freute sich über die Maßen bei dem<br />
Anblick, war aber noch immer nicht Goldes satt<br />
(ebri), sondern ließ sie die dritte Nacht wieder in<br />
eine Kammer sperren, die war noch größer als die<br />
beiden ersten und ganz voll Stroh. „Wenn dir das<br />
auch gelingt, sollst du meine Gemahlin (PVC)<br />
werden.“ Er dachte: „Wenn’s auch eine Müllerstochter<br />
ist, eine reichere Frau (Lip als Reichtum!)<br />
finde ich in der ganzen Welt nicht.“ Als das Mädchen<br />
(Lami clau) allein war, kam das Männlein<br />
zum drittenmal und sagte: „Ich will es noch einmal<br />
tun, aber du mußt mir das erste Kind versprechen,<br />
das du mit dem König bekommst.“ Sie<br />
versprach es in der Not, und wie nun der König<br />
auch dieses Stroh in Gold verwandelt sah, nahm<br />
er die schöne Müllerstochter zu seiner Gemahlin<br />
(PVC).<br />
(3: Macht des Namens.) Über ein Jahr kam<br />
die Königin ins Wochenbett (Grimm: »brachte sie<br />
ein schönes Kind zur Welt«), da trat das Männlein<br />
(Cl) vor die Königin (PVC) und forderte das<br />
versprochene Kind (es muß bei der Geburt an ihm<br />
vorbei, das ist der beste Augenblick für seinen<br />
Zugriff). Die Königin (PVC) bot dem Männchen<br />
(Cl erscheint oben) alle Reichtümer an, wenn<br />
er ihr nur das Kind lassen wollte, aber alles Bitten<br />
war vergebens. Endlich jammerte sie so viel, daß<br />
er Mitleid hatte und sagte: „Ich will dir drei Tage<br />
Zeit lassen. Wenn du bis dahin meinen Namen<br />
weißt, so sollst du dein Kind behalten.“ Da sann<br />
die Königin den ersten und zweiten Tag, was<br />
doch das Männchen (Cl) für einen Namen hätte,<br />
konnte sich aber nicht besinnen und war ganz<br />
betrübt. Sie schickte einen Boten (Cl) aus, der<br />
sollte sich erkundigen und alle Namen sammeln,<br />
die man im Lande kannte. Aber wenn das Männlein<br />
kam, sagte es immer: „So heiß ich nicht.“<br />
(Dieser Teil ist bei Grimm breit ausgestaltet.) Am<br />
dritten Tag kam der Bote wieder zurück und<br />
erzählte: „Als ich vorgestern an einem hohen<br />
Berg (MoV) um die Waldecke (CLA) kam, wo<br />
Fuchs (wG) und Has (mG) sich gute Nacht sagen,<br />
da sah ich ein kleines Haus (VV), und vor dem<br />
Haus brannte ein Feuer (GC), und um das Feuer<br />
sprang ein gar zu lächerliches Männchen (Cl),<br />
hüpfte auf einem Bein (Cl!) und schrie: „Heute<br />
back (defä) ich (Rect als Backofen), morgen brau<br />
(uri) ich (HB als Sudkessel), / übermorgen hol<br />
(gv) ich der Königin ihr Kind (Cl); / ach, wie<br />
gut ist, daß niemand (vulgo »kein Schwanz, kein<br />
Schwein«) weiß, / daß ich Rumpelstilzchen<br />
heiß!“ Da war die Königin (PVC) froh, als sie<br />
den Namen hörte, und als bald hernach das<br />
Männlein eintrat und fragte: „Nun, Frau Königin,<br />
wie heiß ich?“ fragte sie erst: „Heißest du Kunz<br />
(Urtext: »Conrad«, d.i. *»der mit dem Rad«)?“ –<br />
„Nein.“ – „Heißest du Hein (Urtext: »Heinrich«,<br />
d.i. »Herrscher der umhegten Wohnstätte«)?“ –<br />
„Nein.“ – „Heißt du etwa Rumpelstilzchen?“ –<br />
„Das hat dir der Teufel (Ut: sozusagen sein<br />
Chef) gesagt!“ schrie das Männlein (Cl) und<br />
stieß mit dem rechten Fuß vor Zorn (Tum) so tief<br />
in die Erde (Vul), daß es bis an den Leib hineinfuhr<br />
(da steckt es heute noch, und den rechten<br />
Fuß sieht man gar nicht > »rechts« zu PVC), dann<br />
packte es in seiner Wut (Ere) den linken Fuß mit<br />
beiden Händen und riß sich selbst mitten entzwei<br />
(»links« zu Vul; Genese des Doppelbildes: zwei<br />
Cl sind der Rebis-Mann, vgl. Tafel 6.6).<br />
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