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zentraler Ort des Geheimnisses.“ 8 Man muß sich<br />
die Textform ganz deutlich vor Augen führen:<br />
ohne Vokale und ohne Wortzwischenräume, in<br />
immer gleichen Kolonnen abgeschrieben, und<br />
kein Buchstabe darf fehlen — vermutlich doch,<br />
weil dadurch ein bestimmter »Schlüssel« zerstört<br />
würde. Die Voraussetzungen sind ideal, um eine<br />
Chiffrierung und Codierung zu vermuten.<br />
1994 fand der israelische Mathematiker und<br />
Professor Eliyahu Rips heraus, daß in der Bibel<br />
ein Code versteckt sei, der zukünftige Geschehnisse<br />
voraussage. Der Journalist Michael Drosnin<br />
beschrieb das Phänomen ausführlich in seinem<br />
Buch »Der Bibel Code« (1997). Seine Methode<br />
und sein Ergebnis sind völlig anders als unsere<br />
Untersuchung hier, doch seine Textgrundlage ist<br />
wahrscheinlich vorbildlich. „Rips verwendete den<br />
als Textus Receptus bekannten hebräischen Standardtext<br />
der Genesis für sein Experiment.“ 9<br />
Um den Code zu entdecken, entfernte Rips sämtliche<br />
Leerstellen zwischen den Wörtern und verwandelte die<br />
gesamte Originalüberlieferung der fünf Bücher Mose so<br />
in eine fortlaufende Buchstabenfolge von 305804 Zeichen.<br />
Auf diese Weise stellte er die Thora alten Legenden<br />
zufolge in der Form wieder her, in der Moses sie von<br />
Gott erhalten haben soll — »eine fortlaufende Botschaft<br />
ohne Unterbrechung zwischen den Wörtern«. 10<br />
In dieser Zeichenflut, die nach Zeilen und Spalten<br />
in Blöcken geordnet ist, läßt Drosnin den Computer<br />
suchen, aufwärts, abwärts, rechts- und linksläufig,<br />
und findet z.B. den Satz: „Er codierte die<br />
Thora und mehr.“ 11 Auch den Titel seines Buches<br />
findet er im Text: „Der »Bibelcode« selbst ist<br />
ebenfalls in der Bibel in Worten codiert, die<br />
gleichzeitig »er verbarg die Bibel« bedeuten.<br />
Dies ist ein Hinweis darauf, daß jene im Alten<br />
Testament offen erzählte Geschichte noch eine<br />
weitere Bibel enthält.“ 12 Eli Rips und Drosnin<br />
waren nicht die ersten, die geheime Botschaften<br />
in der Bibel suchten. „Die einzigen europäischen<br />
Institutionen, die das Studium der Geheimschriften<br />
vorantrieben, waren die Klöster. Die Mönche<br />
suchten in der Bibel nach verborgenen Bedeutungen.“<br />
13 Aber in Ecos Scriptorium ist das Lachen<br />
verboten, das auf einen solchen Fund hinweisen<br />
würde!<br />
454<br />
Die Mönche des Mittelalters schlug die Tatsache in den<br />
Bann, daß das Alte Testament durchaus absichtsvoll<br />
einige leicht zu durchschauende kryptographische<br />
Elemente enthält. Zum Beispiel enthält es Textstellen,<br />
die mit Atbasch verschlüsselt sind, einer traditionellen<br />
14<br />
Form der hebräischen Substitutions-Geheimschrift.<br />
Demnach müßte hinter jedem Zeichen der<br />
Tora ein anderes Zeichen stehen, und zwar nach<br />
einem Schlüssel, der nicht (gleichsam extern)<br />
feststeht, sondern irgendwie vom Text selbst<br />
abhängt, sonst wäre der Verlust eines Buchstabens<br />
keine Katastrophe. Und wenn man davon<br />
ausgeht, daß der Text nicht von Gott diktiert,<br />
sondern von Menschen geschaffen wurde, muß<br />
da ein Sinn chiffriert worden sein, für den sich<br />
der ganze Aufwand lohnte. Wir haben vor langer<br />
Zeit schon Godwin zitiert, der es vielleicht<br />
genauer wußte: „Die Umwandlung des Säkularen<br />
ins Heilige war eines der Hauptvergnügen sowohl<br />
der sumerischen als auch der hebräischen Gelehrten.“<br />
15 Oder deutlicher als These gesagt: Hinter<br />
dem Bibeltext verstecken sich anschauliche<br />
impuristische Gedanken, hinter der Theologie<br />
steckt die Sexualität. Bellinger bestätigt das: „Die<br />
Buddha-Lehre (dharma) ist wesentlich aus Vorstellungen<br />
und mit Begriffen vor allem der<br />
weiblichen Sexualität konzipiert.“ 16<br />
Seligmann schreibt: „Man nimmt allgemein<br />
an, daß Moses auf dem Berg Sinai den Schlüssel<br />
zur mystischen Deutung der Heiligen Schrift<br />
empfing“ 17 , woran uns nur interessiert, daß es<br />
eine „mystische Deutung“ der Bibel gibt samt<br />
einem „Schlüssel“ dazu, der in esoterischen Zirkeln<br />
anscheinend „allgemein“ bekannt ist. Sogar<br />
in der Einleitung zur Tora selbst heißt es:<br />
Nachmanides schrieb: »Wir besitzen eine glaubwürdige<br />
Tradition, dass die ganze Tora aus Namen Gottes<br />
besteht; jedes Wort in ihr kann zerlegt werden, so dass<br />
ein anderer Sinn darin sichtbar wird, der die Namen<br />
enthält.« Die Kabbalisten fanden im allgemeinen<br />
geheimnisvolle Bedeutungen in den Worten und Buchstaben<br />
der Schriften, die keinerlei Bezug zur Bedeutung<br />
des Textes als einer Gesamteinheit hatten. 18<br />
Die Rede von den „Namen Gottes“ ist m.E.<br />
auch nur ein Euphemismus zwischen Magie und<br />
Impurismus. „Den Namen kennen bedeutete, das<br />
Geheimnis der betreffenden Person, den Schlüssel<br />
zu seinem innersten Wesen besitzen.“ 19 „Die<br />
Christen halten bis heute an dem alten heidnischen<br />
Glauben fest, daß es den Geist Toter<br />
heraufbeschwören könne, wenn ihr Name<br />
genannt wird.“ 20 Pickover überliefert wichtiges<br />
Material aus der Kabbala: „Glaubt man den Kabbalisten,<br />
dann ist Jahwe selbst wiederum nur ein<br />
Ersatz für den wirklichen Namen Gottes, der 72<br />
Silben und 216 Buchstaben aufwies! Sie nennen<br />
diesen heiligen Namen Shem ha-meforash.“ 21